Wie wir und die anderen so feiern
BUCHBESPRECHUNG / FESTE, BRÄUCHE, FEIERTAGE
15/07/16 Schnell mal in die Runde gefragt: In welchem Jahr leben gerade die Muslime? Wann und wie feiern sie ihr nächstes Neujahrsfest? Mit Achselzucken anstatt einer Antwort ist zu rechnen. Das sollte nicht so sein. Immerhin erwarten wir von Muslimen, dass sie sich integrieren. Wäre nicht auch eine gewisse Grund-Neugier eine gute Voraussetzung zu einem verständnisvollen Zusammenleben?
Von Reinhard Kriechbaum
Die eigenartigen Querelen jüngst, als drei Syrer beim Fackeltanz hätten mittun sollen, hat es wieder einmal bewusst gemacht: Im Gegensatz zur Grundstimmung im Land (die bei volkskulturellen Vereinen gewiss nicht fremdenfeindlicher ist als generell), ist man seitens der „offiziellen“ Volkskultur deutlich aufgeschlossener und an der Überschreitung von Grenzen interessiert. Der „Kalender der Religionen“, der seit einigen Jahren in Salzburg online und auch gedruckt veröffentlicht wird, ist eine dieser vorbildlichen Unternehmungen. Das Landesinstitut für Volkskunde ist wissenschaftlich und auch praktisch federführend. Viel Wissenswertes hat sich in virtuellen Buchstaben angesammelt. Das und noch mehr kann man nun auch auf Papier nachlesen: „Feste, Bräuche, Feiertage der Religionen in Österreich – wie, wann, wozu“ heißt das dickleibige Handbuch.
Wie steht es also mit unserem Wissen um den Jahrlauf? Reden wir mal gar nicht vom islamischen oder jüdischen Festkalender, auch nicht von dem hierzulande als „Modereligion“ derzeit entschieden positiver besetzten Buddhismus: Es reichte für den modernen Neu-Heiden (das bei weitem verbreitetste religiöse Nicht-Bekenntnis) schon, die gut hundertvierzig Seiten über die vermeintliche „Leitkultur“, also die katholischen Feste durch zu studieren. Schon mal wirklich ernsthaft darüber nachgedacht, welcher Nicht-Flecken beim Fest „Mariä unbefleckte Empfängnis“ am 8. Dezember gedacht wird?
Ein wenig provokant gesagt: Allein was die Salzburger Landes-Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann auf neuneinhalb Druckseiten summarisch über die katholische Glaubenslehre sagt, ist möglicherweise informativer als das, was man vom Religionsunterricht an den Pflichtschulen mitbekommt.
Neuland also zuhauf, über Islam, Judentum, andere christliche Bekenntnisse, Buddhismus und Hinduismus bis zu Mormonen, Zeugen Jehovas und Freikirchen. Die Herausgeber – Ulrike Kammerhofer-Aggermann und Michael Greger – haben jeweils mit kundigen Menschen zusammengearbeitet. Marco Feingold beispielsweise schreibt über die jüdischen Begräbnisrituale.
Nicht nur die Statements der Religionsvertreter lassen anklingen, dass es wohl nicht Schuld der Religionen ist, wenn Menschen einander die Köpfe im Namen eben dieser einschlagen.
Die Texte sind wissenschaftlich fundiert und penibel in den Quellenangaben. Man nützte die Gelegenheit beim Schopf, über die Feste hinaus Information hinein zupacken. Dass es ein Österreicher war – der Orientalist Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall –, der vor etwas über zweihundert Jahren den Koran in deutsche Verse übersetzte: Wer weiß das schon?
Die Reihenfolge der Großkapitel orientiert sich an der statistischen Größe der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Da folgen nach den Katholiken auf Platz zwei die Muslime, auch in der Salzburger Landes-Religionsstatistik. Also sollten wir wirklich wissen, in welchem Jahr sie gerade leben: Bis 2./3. Oktober haben sie das Jahr 1437. Und vielleicht sollten wir uns vergegenwärtigen: Als wir 1437 schrieben, war auch bei uns das Kopftuch für verheiratete Frauen unverzichtbar.Und bis die Frauen wählen durften, sollte auch noch rund ein halbes Jahrtausend vergehen...