Weder Gloria noch Credo...
BUCHBESPRECHUNG / ERZBISCHOF COLLOREDO
12/09/16 „Unser Fürst Colloredo hat weder Gloria noch Credo“, sagten Zeitgenossen und bekrittelten damit den Rotstift, den der aufgeklärte geistliche Landesfürst angesetzt hatte. Der letzte Salzburger Fürsterzbischof hat gründlich aufgeräumt nicht nur mit liebgewonnenem Volksbarock.
Von Reinhard Kriechbaum
Unspektakulär und unaufgeregt der Titel des dickleibigen Buchs zur damaligen Zeitgeschichte: „Herrschaft in Zeiten des Umbruchs“. Die hier vereinigten Texte sind Referate, die bei einer dreitägigen Tagung im Mai 2015 gehalten wurden. Es ging darum, die Geschehnisse der Zeit, die Geistesströmungen und politischen Handlungen im Fahrwasser der Aufklärung, die Wirrnisse der französischen Revolution und schließlich die napoleonischen Verwerfungen der europäischen Landkarte hinweg in größeren europäischen Zusammenhängen zu sichten – und trotzdem auch Salzburgs Umbruchs-Geschichte damals zu erhellen.
Mit dem Wort „erhellen“ (in anderen Ländern spricht man ja nicht von „Aufklärung“, sondern von „Enlightenment“) hat ein solches Unternehmen jedenfalls zu tun. Colloredo ist – siehe Eingangszitat – zwei Jahrhunderte lang in der Geschichtsschreibung schlecht genug weggekommen. Dabei war er durchaus ein Regent mit politischer Perspektive, sogar mit wirtschaftlichem Sachverstand. Mit dem, was Colloredo verordnete oder untersagte, „sollte der gemeine Mann auch bald heller denken, und aufgeklärter werden, an Vorurtheilen und Aberglauben nicht mehr so sehr kleben“.
Wer sich also durchbeißt durch das mehrheitlich knochentrockene wissenschaftliche Textkonvolut, wird nicht nur um Jahre gealtert sein, sondern auch ordentlich dazugelernt haben. Im Sinne einer differenzierten Sicht auf die Dinge. Eines herausgepickt: Unsere Vorstellung des geistlichen Absolutismus geht ja dahin, dass das Volk rein gar keine Rechte hatte. Das Salzburger Volk – das waren damals zu achtzig Prozent Bauern. Und die hatten durchaus ein Wörtchen mitzureden. Fritz Koller beschreibt höchst anschaulich „Die Endlichkeit der absoluten Macht“.
Was hätten die Verwaltungsbeamten, die einzelnen Untertanen sehr wohl das Leben verleiden konnten, gegen diese achtzig Prozent in Summe ausrichten können? Die Bauern waren wohl organisiert, in der Gemeinde, und noch kleinräumiger in den Rotten (Weilern von zehn oder zwölf Gehöften). Jeden Sonntag beim Kirchgang kamen die Leute zusammen, waren vernetzt, informationsmäßig am Laufenden und durchaus selbstbewusst. Wie heutzutage über den Finanzausgleich zwischen Bund und Gemeinden verhandelt wird, begegneten einander damals die Vertreter der Viertelgemeinden und der fürsterzbischöflichen Finanzkammer durchaus auf Augenhöhe.
Es waren – ein Beispiel nur – nicht die Verwaltungsbeamten, die Straßen und Brücken instand hielten, sondern eben die Bauern unmittelbar vor Ort. Da hieß es für die Obrigkeit stets wieder einigermaßen wohlwollend und vor allem gerecht zu verhandeln. Ein Historiker schrieb einst über den „vor seinen Gebirgsbauern stets mit Furcht zurücktretenden Hieronymus“ Colloredo. Der Landesfürst musste sein Land verlassen, das Kaiserhaus trat in seine Fußstapfen und ist auch schon bald hundert Jahre weg vom Fenster. Die Gemeinden gibt es aber immer noch, und ihr Verbund spielt bis heute eine nicht unwichtige politische Rolle. Und Salzburg als föderales Bndesland gibt’s schließlich auch immer noch, im Gegensatz zu über neunzig ähnlichen geistlichen Fürstentümern auf deutschem Boden. Colloredo hat also – absolut hin oder her – nicht alles falsch gemacht.