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Netter Blick ins Froschgoscherl

BUCHBESPRECHUNG / ALLES DIRNDL

24/09/13 Weder bei „Bscheisserl“ noch bei „Hänsel“ sollte man gar zu sehr auf die Fantasie setzen und Hintergedanken rasch zurückdrängen: Es sind beides ganz arglose Fachausdrücke rund ums Dirndl. So wie „Froschgoscherl“.

Von Reinhard Kriechbaum

Auch „Kittlblech“ meint keinen unter dem attraktiven Stoff verborgenen Keuschheitsgürtel. Obwohl der vielleicht manchmal angeraten wäre, denn Avancen könnte manche Dirndlträgerin ja durchaus gerne nachgeben. An ihnen sollte es nicht fehlen angesichts des Kleidungsstücks, das ja in der Regel die weiblichen Formen sehr vorteilhaft zur Geltung bringt.

Ist das der Grund, dass das Dirndl boomt wie nur in der Modewelt? Die beiden Autorinnen dieses bei Pustet erschienenen Buchs, Susanne Trettenbrein und Daniela Müller, sind dem Kleidungsstück jedenfalls verfallen. Die beiden Damen werden gleich eingangs vorgestellt, und diesen Biographien kann man entnehmen, dass man es keineswegs mit eingefleischten Traditionalistinnen zu tun hat, sondern eher mit Bobos, die eben das Dirndl für sich erst entdecken mussten. Beide hatten „Trachtenbekehrer“ an ihrer Seite, wie sie gestehen. Sie tragen das Dirndl seither mit Leidenschaft und es dürfte im Kleiderschrank nicht fehlen an unterschiedlichen Modellen, ausgefallene Kreationen inklusive.

Dürfen’s denn das? Ja, natürlich. Wie die meisten Trachten hat ja auch das Dirndl wenig mit herkömmlicher bäuerlicher Kleidung zu tun. Was uns als Tracht gilt, ist am Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, zusammengestellt, in einer Mischung aus nostalgischen, ideologischen und identitätsstiftenden Motiven heraus entwickelt worden. Und blättert man das Buch „Alles Dirndl“ durch, kommt man schon aufgrund der Bilder gewiss nicht auf die Idee, an bäuerliche Traditionen und authentische Trachten (was das auch immer sei) zu denken: Dirndl, wie es uns da begegnet, ist ein der Mode angepasstes, vielleicht sogar ihr unterworfenes, jedenfalls brandaktuelles Kleidungsstück. Nachgefragt wie nie zuvor.

Leib, Kittl, Schürze. Das ist ein Dirndl sozusagen im Grundskelett. Was die Modeschöpfer und die Trachtenbastler draus mach(t)en, steht auf einem anderen Blatt und füllt locker ein Buch, auch wenn die Autorinnen gar nicht so sehr in die Tiefe schürfen. Von den Grandseigneurs der Dirndl-Zunft (Namen wie Toxmann, Gössl, Lanz, Pflaum, Ehrlich) bis zu Ultra-Kreativen wie Susanne Bisovsky reicht der Bogen der Porträtierten. Accessoire-Hersteller werden vorgestellt, und der Schmuck ist natürlich auch ein Thema.  Dass ausgerechnet in einer der legendären Dirndl-Heimaten, in Bad Aussee, Helga Brandauer-Rastl auf die Idee gekommen ist, Dirndl-Trägerinnen ins Wasser fliegen zu lassen und ein Dirndl sogar als Nachthemd zu formatieren – dazu mag man sich denken, was man will. Die Autorinnen sind viel zu brav und Dirndl-besessen, um zu kritisieren oder gar zu richten.

Unangenehme, aber durchaus auch wichtige Dirndl-Fragen, etwa die zweifelhafte Konnotierung im Dritten Reich, umschiffen sie elegant mit ein paar verbindlichen Absätzen. Bei Trachtenerzeugern und -designern haben sie mit Lust und Freude, bei Volkskundlern und Zeithistorikern deutlich zurückhaltender recherchiert. So arbeiten sie geradezu draufgängerisch der Dirndl-Mode und ihren Protagonisten zu. Eine bessere Werbung in Buchform haben diese wohl kaum einmal bekommen. Die Mehrzahl der Bilder kommt natürlich auch von den Kleiderherstellern und aus den Ateliers ihrer hochprofessionellen Fotografen. Perfekter Hochglanz.

Ach ja, „Bscheisserl“: Das ist die Blusenattrappe beziehungsweise der sichtbare Teil der Bluse. Als „Froschgoscherl“ bezeichnet man die Rüschen und dergleichen Zierrat, vor allem am Ausschnitt und an der Schürze. Und mit dem „Hänsel“ wird der Rock in Falten gelegt, das funktioniert so ähnlich wie bei einem Vorhangband.

Daniela Müller,  Susanne Trettenbrein: Alles Dirndl. 160 S. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2013. € 25.- www.pustet.at

 

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