Salzburger Fenstergucker
KALENDER / KOMPONISTEN
29/12/23 „Die Nachgeburt aber hat man ihr wegnehmen müssen. Sie war folglich erstaunlich schwach.“ Das berichtete Leopold Mozart an seinen Augsburger Verleger über seine Gattin nach der Geburt von Wolfgang Amadé. – Mozart gehört logischerweise der Jänner in Horst Reischenböcks neuem Kalender über Komponisten, die mit Salzburg zu tun hatten.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein weicher Bleistift empfiehlt sich für die Einträge und ein Radiergummi zum nächsten Jahresende, denn Salzburger Fenstergucker ist ein immerwährender Kalender. Also keineswegs nur im bevorstehenden Jahr zu gebrauchen. Warum Fenstergucker? Offenbar hat der Illustrator des Kalenders, Maroine Dib, den Eindruck gewonnen, dass nicht nur – wir zitieren die von manchen sehr ungeliebte Landeshymne – „durch einsamer Straßen-Sinnen Mozart und seine Unsterblichkeit“ schreiten, sondern aus sehr vielen Fenstern dieser Stadt Komponisten lugen. Für jeden Monat also lässt er einen von ihnen aus einem Fenster schauen. Die Gedenktafel am jeweiligen Haus ist auch meistens im Bild.
Auf dem Titelbild ist nicht Mozart, sondern Paul Hofhaymer (1459–1537) zu sehen, „der Tonkunst grösster Meister seiner Zeit“, wie die Tafel am Haus Pfeifergasse 18 verkündet. Richard Strauss schaut aus dem Fenster eines Mercedes-Oldtimers. In der Franziskanergasse hat sich vor einem Fenster des Klosters eine illustre Komponistenschar versammelt, Bruckner, Liszt und Wagner.
Sie hören dem Franziskaner-Pater Peter Singer zu, der wohl gerade auf dem von ihm entwickelten Pansymphonikon spielt. Vier Herren bringen Michael Haydn offenbar auf der Straße singend ein Ständchen dar. Das passt gut, gilt Michael Haydn doch mit seinen vierstimmigen Vokalwerken als Begründer des Männerchorwesens.
Nur kurze Zeit im Jahr 1874 wohnte Peter Cornelius im Haus Nonntaler Hauptstraße 20. Hinter einem der originell geformten Fenstergitter sehen wir ihn, wie er gerade seine Oper Le Cid vollendet. Die Oper und sein Schöpfer sind heute weitgehend vergessen. Franz Schubert weilte auch nur kurz hier, im Haus Judengasse 8. Immerhin ist damals bei einer Art „Schubertiade“ sein berühmtes Ave Maria das erste Mal erklungen. Mozarts Witwe Konstanze war Ohrenzeugin. Das Salzburger „Christkindl“ unter den Komponisten, der hier am 24. Dezember 1773, also vor 250 Jahren geborene Joseph Woelfl, teilte sich das Haus Festungsgasse 4 als kleines Kind mit Michael Haydn.
Horst Reischenböck ist nicht nur geschätzter Musikkritiker im DrehPunktKultur. Als Fremdenführer kennt er sich in der Stadt bestens aus und er zeigt den Gästen natürlich mit Vorliebe auch die Musiker-Gedenkstätten. Kein Wunder, dass er Unmengen von Geschichten parat hat. In drei, vier Absätzen erzählt er zu jedem Komponisten das Wesentliche. Ginge es nach Horst Reischenböcks Wissen, dann dürfte das Jahr nicht nur zwölf Monate haben. Er zählt gleich noch anderthalb Dutzend Komponisten auf, die in einem solchen Kalender ebenso hätten Platz finden können, vom Mönch von Salzburg, Oswald von Wolkenstein und Hans Sachs bis Carl Orff, Gottfried von Einem und Max Liebermann. Vielleicht lassen Reischenböck und Maroine Dib, die gemeinsam schon das Buch Von Agnes bis Zubin verfasst haben, noch ein oder zwei Komponistenkalender folgen?