Mister Fake President
BUCHBESPRECHUNG / BERGER / DER PRÄSIDENT
20/01/21 Manchmal ist er als Double bekannt, manchmal wird er für den echten Präsidenten gehalten. Dann kommen die Menschen mit ihren Vorstellungen, Hoffnungen und Sorgen auf ihn zu – wann immer sie ihn nicht als Kopie erkennen. Clemens Berger erzählt die Geschichte eines Präsidenten-Doubles.
Von Judith Ralser
Als Mister President öffnen sich ihm alle Türen: Der Polizist Jay Immer, geboren im Burgenland als Kind mit den Eltern in die USA emigriert, ähnelt dem vierzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er ist Ronald Reagan wie aus dem Gesicht geschnitten. So wird Jay Immer mit 55 Jahren zum offiziellen Double für präsidiale Auftritte bei Traktor-Rennen, Hot-Dog-Wettessen oder Autohaus-Eröffnungen.
Entlang historischer Ereignisse im Leben der historischen Figur hat der Autor Clemens Berger eine neue Geschichte erfunden. Er beschreibt die Erinnerungen zweier Auswanderer, die sich nicht der Sehnsucht nach der verlassenen Heimat ergeben, indem sie sie verklären, sondern realistisch und bodenständig bleiben. Lucy und Jay sind ein eingeschworenes Team, das einander Halt gibt. Ein klein wenig mehr Luxus – mehr schaut ergibt sich nicht aus Jays Arbeit als Double. Eine Klimaanlage, ein Swimmingpool im Garten.
Doch als als Präsidenten-Lookalike steht Jay zwischen der Darstellung eines möglichst realistischen Reagan und den eigenen Überlegungen und Überzeugungen. Seine Haltung zum echten Präsidenten und den Werten, die dieser verkörpert, wandelt sich nach und nach. Irgendwann, es hat sich langsam angestaut, nimmt Jay ein Video auf und entschuldigt sich für eine Jahre zuvor durchgeführte Entlassung von Tausenden von Fluglotsen durch den Präsidenten. Was als Geschenk für einen direkt Betroffenen gedacht war, bringt ihm breite mediale Aufmerksamkeit – ein neuer, ein anderer Präsident ist geboren. Ein Präsident, der die Sorgen vieler Menschen anspricht, unbequem in seinen Ideen zu Klimazielen, vom Geheimdienst beobachtet, gehasst von den einen, geschätzt von den anderen. Der wichtigste Angelpunkt für Jay Immer ist seine “first lady” Lucy.
Jay Koch, an dessen Lebensgeschichte sich die Grundkonstellation in Clemens Bergers Roman Der Präsident orientiert, ist nicht die einzige reale Person, die Erwähnung findet. Mit Blick auf den Präsidentenwechsel in den USA sei eine Begegnung von Trump mit Gorbatschow vor dem Trump Tower erwähnt, wo der Tycoon freudestrahlend auf den Generalsekretär der Sowjetunion trifft. Aber ist ein Doppelgänger. Jay, der die Begegnung vor dem Fernseher verfolgt, findet den Kollegen wenig überzeugend.
Aus dem Lookalike-Dasein ergeben sich einige amüsante Begegnungen. Bergers Roman bietet jedoch wenig rasante Wendungen, sondern vielmehr eine entspannte Erzählung mit einem Ende, das versöhnlich mit der Welt schließt. Der Präsident bietet einen neuen Blickwinkel auf die Macht, die ein Erscheinungsbild und ein Name verleihen können. „Präsident“ Jay Immer will freilich, im Gegensatz zu den hartherzigen, nur der Wirtschaft verschriebenen Präsidenten – den Amerikanischen Traum aufrecht halten und durch seine seine Handlungen der Welt einen positiven Twist gegeben.