Das Gleichnis vom wachsenden Wald
GOLDEGGER DIALOGE
12/06/12 Es ist wie immer. Fronleichnam. Alle warten bis die Fronleichnamsprozession im Innenhof von Schloss Goldegg ankommt. Ja, da wird noch geschossen und lange ist es her, dass auch das zum Thema wurde. Die 31. Goldegger Dialoge, die am Samstag (9.6.) zu Ende gegangen sind, pflegen eine bewährte Tradition.
Von Christina Repolust
Etwas ist diesmal anders: Da sitzt einer vor dem Publikum, dem die Haare gekämmt, geschnitten, gerichtet werden. Und das ist nicht der Hauptreferent Hans-Peter Dürr, das ist auch nicht Roland Brunhofer, Landesdirektor ORF Salzburg oder gar Cyriac Schwaighofer vom Kulturverein Goldegg. Letzterer klärt gerade noch rechtzeitig nach einer Zeit des Hälsereckens, der Verunsicherung, der Belustigung auf, wer da sitzt und warum er da sitzt: „Das ist Julius Deutschbauer, er hat ein Literatur-Stipendium hier in Goldegg und seine Intervention kreist um das Thema Kürzungen.“
„Was unsere Welt im Innersten zusammenhält“ hieß der Titel des Eröffnungsvortrags. Der Physiker Hans-Peter Dürr, u. a. Träger des Alternativen Nobelpreises, verwies aus seiner Profession heraus auf das Zusammenspiel mit anderen; jeder sei einmalig und es sei doch erstaunlich „dass ein einziger Baum, der fällt, mehr Krach macht und dadurch mehr Aufmerksamkeit erzielt als ein ganzer Wald, der wächst.“ Lebendigkeit ist einer von Dürrs Hauptaspekten. Es gelte diese zu erleben, zu begreifen und zu verstehen: Die Kategorie richtig bzw. falsch reiche, will man das Leben begreifen, einfach nicht aus. Daneben betont Dürr die Bedeutung des Zusammenspiels: die Grundlage der Entwicklung, sowohl auf die vergangenen dreieinhalb Millionen Jahre als auch auf die Zukunft – den Frieden – bezogen: „Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende, ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen, Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können.“
„Was uns verbindet – Energie und Empathie“ war heuer Thema der Goldegger Dialoge. Rebecca Reinhard arbeitet als philosophische Beraterin für Patienten und führt eine philosophische Praxis in München. Sie plädiert in ihren Ausführungen – Einführungsseminar, Vortrag, vertiefendes Gespräch - fürs Innehalten. Sie sieht den modernen Narziss, die moderne Narzisstin sich in den Hochglanzflächen der Smartphones und anderer I-Geräte spiegeln: Das Smartphone diktiere den Tag, Dazuzugehören sei das Tagesziel: Wer innehält, stelle sich unweigerlich dem Fremden. Krisen wie Jobverlust, Scheidung, Krankheit unterliefen die Weltsicht der Machbarkeit und des Perfektionismus.
„Das Leben ist Übung“, gibt Rebecca Reinhard ihren Zuhörern mit auf den weg und das klang wie eine Einladung, zu den 32. Goldegger Dialogen zu kommen. Immer wieder also den Zusammenhang von Körper, Seele und Geist zu hinterfragen und es auch auszuhalten, wenn einem dieser Zusammenhang im unpassenden Augenblick und in der falschen Dosis im Alltag zuwinkt. Veranstaltungen wie die Goldegger Dialoge machen einen schnell klüger und dann aber auch noch - manchmal schmerzerfüllt - ein wenig weiser. Stiller, nachsichtiger, kritischer und solidarischer vielleicht auch noch.