Die Sonne geht am Abend auf
DIABELLI SOMMER / HAGEN QUARTETT
17/06/24 Das Hagen Quartett bescherte allen, die zur „Festlichen Eröffnung“ des DiabelliSommers nach Mattsee gepilgert waren, in der Stiftskirche eine Sternstunde mit Haydn, Ravel und – eine absolute Rarität – mit Puccinis Crisantemi.
Von Horst Reischenböck
Eine reizvolle Idee, die den abendlichen Sonnenuntergang mit Joseph Haydns Sonnenaufgang zu konterkarieren: Mit dem Streichquartett B-Dur Hob III:78 eröffnete das Hagen Quartett den Diabellisommer. So schwang sich denn gleich zu Beginn Primus Lukas Hagens Violine zweifach traumverloren zart in die Höhe, um nach energischem aufbrausend inspiriertem Allegro-Wirbelwind vom Cello Clemens Hagens absteigend beantwortet zu werden. Überirdische Ruhe verströmten im Adagio Rainer Schmids zweite Violine und Veronika Hangens Viola. Aus solchen Gedanken holte das selten so bewusst aufmüpfig gegen den den Takt gebürstete Menuett mit seinem Bordun-fundierten Trio heraus. Voll spielerischer Freude zündete das Finale nach zwanzig mitreißendem Temperatents den finalen Schlusspunkt.
Die erfreulich abwechslungsreich geplante Werkfolge sollte danach chronologisch Franz Schuberts singulärer Streichquartettsatz c-Moll D 703weiterführen, von dessen Ausführung die Hagens jedoch leider Abstand nahmen. Quartett-Einzelsätze machen so ihre Probleme. Allein werden sie ungern in Programme mit einbezogen und als Zugaben sind sie meist zu ausufernd. Ein Grund, warum auch die Crisantemi von Giacomo Puccini trotz ihrer unbestrittenen Qualität eher ein Schattendasein am Rande des Repertoires fristen. (Puccini versäumte es übrigens, auf der Rückreise von Wien, die Stadt Salzburg zu besuchen, er blickte nur von Maria Plain aus hinunter.)
In Italien waren jedenfalls Quartett-Kompositionen wenig bis gar nicht gefragt, weshalb sich auch Giuseppe Verdi lange einer öffentlichen Aufführung seines singulär geblieben meisterlichen Opus widersetztze. An diesem Quartett können Kammermusikführer nicht vorbei, während Puccinis berührende Ekloge mit Namen der Allerheiligen-Blumen meist ausgelassen wird. Gottfried Franz Kasparekt, dem künstlerischem Leiter des Mattseer DiabelliSommerst, ist es daher nicht hoch genug anzurechnen, dass er dem Hagen Quartett seine eigene Einspielung aus früheren Tagen in Erinnerung rief – und die Künstler bewog, diese zweifach unisono in ekstatisch ausbrechende Trauerhöhen sich steigernde Elegie, wieder zu spielen. Eine Rarität, die, nicht zuletzt wegen Puccinis 100. Todestag heuer, besonders passend war – und am Freitag (14.6.). nachdenklich stimmend in die Pause und der der Linde entließ.
Gallischen Spielwitz ließen die Vier danach aus Maurice Ravels Streichquartett F-Dur lodern – wie gefordert vif und voll Schwung. Innerhalb er vier Sätze wurde besonders das rhythmisch bestimmte Pizzikato an zweiter Stelle temperamentvoll, fast schon überbordend exzessiv, ausgespielt. Als Zugabe und gleichsam „Danksagung“ reichte das Hagen Quartett dann noch einen entsprechenden Satz aus Ludwig van Beethovens spätem Œuvre nach: Begeistert bedankter Ausklang eines in allen Teilen großartigem Konzerterlebnisses!
Der Mattseer DiabelliSommer dauert bis 13. September – diabellisommer.at
Bilder: MDS / Matthäus Maislinger