Weiberleit-Power über Monate und Jahrzehnte
NEUKIRCHEN / TAURISKA
11/04/23 Ausstellungen von und über Frauen im Kammerlanderstall in Neukirchen am Großvenediger. Christine Schweinöster zum Beispiel präsentiert ihr im Vorjahr erschienenes Buch Die Welt kommt ins Dorf – und das Dorf kommt in die Welt sowie das druckfrische Buch 130 Jahre Frauenleben im Unteren Saalachtal.
Die Journalistin Christine Schweinöster aus St. Martin bei Lofer hat vor zehn Jahren das Buch mit dem Titel 100 Jahre Leben im Salzburger Saalachtal vorgelegt. Da ging es um die Zeit ab 1860. In den 1970er Jahren ist vieles in Bewegung gekommen, wofür Feministinnen beharrlich gekämpft hatten. „Die Dorföffentlichkeit wird feminisiert“, formuliert es Christine Schweinöster. In vielen gesellschaftlichen Bereichen, die den Frauen Jahrhunderte lang verwehrt waren, finden sie nun Zugang. Es ist der Weg zur selbstbestimmten Frau: mit Ausbildung und eigenen Wünschen; mit selbstverdientem Geld und der stärker werdenden Präsenz nach außen – durch Aufgaben, die früher durchwegs Männer innehatten. Frauen bilden sich, reisen und sind so ungebunden wie nie zuvor. Sie wagen sich mutig mit ersten Lesungen an die Öffentlichkeit und werden, wenn auch zögerlich, ab den 1980ern in der Gemeindepolitik aktiv. Männliches Imponiergehabe verliert an Attraktivität, und alsbald gibt es auch Direktorinnen, Doktorinnen, Feuerwehrfrauen, Frauen auf Motorrädern...
Die Welt kommt ins Dorf – und das Dorf kommt in die Welt (Tauriska, 2022) ist also ein Streifzug durch das Untere Saalachtal im Salzburger Pinzgau, fokussiert auf das halbe Jahrhundert zwischen 1970 und 2020. Natürlich nicht nur aus weiblicher Perspektive. Das Werk zeigt ein vielfältiges Spektrum der Region – mit Menschen, die die Kommune hinterfragen und bereichern; mit „Generation Gaps“ und leider auch Abwanderungstendenzen vieler Frauen und Männer. Insgesamt ist es ein umfassendes Zeitdokument, das das Leben von Unken bis Weißbach festhält. Ein Regionenporträt also in einer Zeit, in der die Globalisierung und Digitalisierung die Welt grundlegend verändert. Die vielen Fotos zu den Texten stammen von dem 2019 jung verstorbenen Pressefotografen Walter Schweinöster und der Autorin selbst.
Gleichzeitig mit der Präsentation eines weiteren neuen Buchs von Christine Schweinöster über 130 Jahre Frauenleben im Unteren Saalachtal, beginnt auch eine Ausstellung zu diesem Thema, mit großformatigen Tafeln.
Auch die Töchter von Christine und Walter Schweinöster, Iris (30) und Silvia (26) sind in Sachen Region und Frauenbilder unterwegs. Sie präsentieren im Kammerlanderstall in der Schau Power: Pinzgauerinnen ihr Projekt #empoweredWeiberleit. Dieses zeigt unterschiedliche Lebensmodelle der jüngeren Frauengeneration mittels Videos, die Josef Kugler von den Pinzgauerinnen erstellt hat und mit Porträts, die der international angesehene Fotograf Joachim Bergauer von ihnen gemacht hat. Bergauer ist mit Auszeichnungen wie „Photographer of the Year“ in Tokio geehrt worden und hat schon Größen wie Sadio Mané oder Konstantin Wecker porträtiert.
Ausstellung, Videos, Fotos werden in den kommenden fünf Monaten durch das Schwestern-Duo von einer intensiven Instagram-Betreuung unter #empoweredWeiberleit begleitet. Bei der Vernissage am kommenden Freitag (14.4.) installieren sie auch eine Fotobox inklusive Verkleidungsrequisiten, die zu Selfies und Genderexperimenten anregt.
Und noch eine Ausstellung im Kammerlanderstall: Die Bosnierin Vesna Divkovic zeigt im Haupt-Ausstellungsraum Acryl-Malerei. Rätselhafte Figurengruppen sind da zu sehen, schattenhafte Personen in sparsamen Farben, die sich einmal aneinander schmiegen, dann wieder seltsam distanziert anmuten. Wie aus einer Traumwelt hervorgekommen, laden sie dazu ein, Geschichten zu imaginieren. Vesna Divkovic hat erst 2019 zu Malen begonnen – und damit auch die vielen Brüche in ihrem Leben aufgearbeitet: den Verlust ihrer Heimat nach dem Zerfall von Alt-Jugoslawien in den 1990er Jahren; den Neubeginn im Pinzgau, wo die gelernte Buchhalterin und Maturantin als talentierte Schneiderin Fuß fassen konnte. Seit über dreißig Jahren ist Mittersill ihre Heimat. (Tauriska/dpk-krie)