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Immer erinnernd unterwegs – jetzt mit Auto

HALLEIN / ORTE DES GEDENKENS

16/11/22 Von den Halleiner „Tschikweibern“, den Arbeiterinnen in der Zigarrenfabrik, ist sie ob ihres Einsatzes für Verfolgte in der NS-Zeit die weitaus Bekannteste: Als zweites Projekt für Orte des Gedenkens gilt 2023 ein Kunstprojekt der Widerstandskämpferin Agnes Primocic (1905-2007).

Zur Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in Salzburg errichtet das Land Salzburg im Lauf von sechs Jahren in jedem politischen Bezirk einen Gedenkort. Das Konzept der Arbeitsgemeinschaft Orte des Gedenkens beruht auf drei Säulen: historische Aufarbeitung, künstlerische Intervention und Vermittlungsarbeit. Nach dem Flachgau (Neumarkt) ist nun der Tennengau (Hallein) dran. Aus dem künstlerischen Wettbewerb ist ein Projekt für Agnes Primocic der in Hallein geborenen Künstlerin Kathi Hofer siegreich hervorgegangen: ein Auto für Agnes Primocic und Hörspaziergänge auf ihren widerständigen Wegen.

Die dreifache Mutter Agnes Primocic engagierte sich im Austrofschismus und Nationalsozialismus für die Rote Hilfe, eine im Untergrund agierende Hilfsorganisation für die Familien von politisch verfolgten Linken. Sie wurde deswegen von der Gestapo inhaftiert und mehrfach verhört. Da sie von ihren Mitstreitern nicht verpfiffen wurde, kam sie wieder frei und nicht ins KZ. 1943 verhalf sie dem internierten späteren Organisator der Partisanengruppe Willy-Fred, Sepp Plieseis, zur Flucht aus einem Nebenlager des KZ Dachau, das sich außerhalb von Hallein befand. Vor Kriegsende im April 1945 rettete Primocic todesmutig weitere siebzehn mit dem Tod bedrohte KZ-Häftlinge in Hallein. In einer Rotkreuzuniform suchte die Arbeiterin aus der Halleiner Zigarrenfabrik den Kommandanten des Lagers auf, um ihn zur Freilassung der Häftlinge zu bewegen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Agnes Primocic weiter politisch vielfältig aktiv und saß für die KPÖ im Halleiner Gemeinderat. Auch noch in hohem Alter (sie wurde 102 Jahre alt) besuchte die aktive Zeitzeugin Schulklassen, um die Erinnerung wach zu halten. „Agnes Primocic war weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt. Sie trat resolut mit viel Überzeugungskraft auf und stellte immer wieder sehr direkte Fragen an die Menschen, die ihr begegneten“, sagt der Historiker Albert Lichtblau.

Die Jury unter dem Vorsitz von Hildegund Amanshauser hat sich einstimmig für die Einreichung von Kathi Hofer entschieden. Im Mai 2023 soll das Vorhaben umgesetzt sein. Kathi Hofer hat den Halleiner Tschikweibern bereits 2021 eine Ausstellung im Kunstraum Pro Arte gewidmet. Sie ist mit der Einbindung von Biografien in die künstlerische Arbeit vertraut und setzt sich in ihrer Einreichung „Unterwegs mit Agnes Primocic“ mit der Mobilität einer Frau auseinander, die immer in Bewegung war. Deshalb soll ein auffällig gestaltetes Auto als auf relevante Gedenkorte hinweisen. Zum anderen werden Hörspaziergänge durch Hallein aufgezeichnet, die auf den Spuren der Widerstandskämpferin durch die Stadt führen. Damit soll eine aktive Teilhabe am Gendenken an Primocic initiiert werden und ihre widerständigen Wege quer durch ihre Heimatstadt nachvollziehbar werden.

Fünf Künstlerinnen und Künstler (Catrin Bolt, Kathi Hofer, Ana Hoffner, Thomas Hörl, Esther Strauß) waren zum Wettbewerb eingeladen worden, der von der Geschäftsstelle des Fonds zur Förderung von „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ administriert wird. Eszter Fürjesi vom Kulturbüro Hallein sagt zur Jury-Entscheidung: „Das Projekt von Kathi Hofer war durch die Dualität besonders überzeugend. Einerseits durch das Verwenden von einem sehr auffallend gestalteten Fahrzeug als Synonym für Agnes Primocic, für eine Frau, die nie stillstand. Andererseits durch die Aufarbeitung ihrer Geschichte sowohl von Außenstehenden wie auch in Zusammenarbeit mit Schulklassen in Hallein, um diese dann in Form von Audio-Walks von Interessenten nachverfolgen zu können.“ Der Stadt Hallein sei es wichtig, auf Primocic und ihre Geschichte immer wieder aufmerksam zu machen. „Denn ihre Devise ‚Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht‘ hat heute mehr Aktualität denn je“, betont Fürjesi.

„Künstlerisch gestaltete Erinnerungsprojekte sollen weder belehren noch eine erstarrte Gedenkstätte kreieren, vielmehr zeitliche Bezüge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen und zu vielfältigen Erfahrungen anregen“, sagt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder. „Mit den Realisierungen können die Erfahrungen von damals in ein kulturelles Gedächtnis der Nachwelt übersetzt und für Zukunftsfragen geöffnet werden.“

Zum Vermittlungsprogramm gehören öffentliche Veranstaltungen rund um die Thematik, aber auch in Kooperation mit erinnern.at konzipierte Workshops in Schulen, Bildungsstätten oder mit NGOs.

Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft Orte des Gedenkens, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. (Orte des Gedenkens / dpk-krie)

www.ortedesgedenkens.at; www.erinnern.at
Bild: Privatarchiv
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