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Putin wird dich lehren, das Vaterland zu lieben

 

JAZZFESTIVAL SAALFELDEN

22/08/22 Samstag (20.8.), knapp vor Mitternacht: Die russische Protest-Band Pussy Riot beim Jazzfestival Saalfelden. Die jungen Damen, die in ihrer Heimat aus gutem Grund meist Sturmhauben über ihre Gesichter gezogen haben, wissen genug von Selbsterlittenem zu berichten. Das Publikum folgte gebannt.

Putin wird dich lehren, das Vaterland zu lieben!“ Sätze wie treffen natürlich gerade jetzt, nach einem halben Jahr Krieg in der Ukraine. Das Programm, mit dem die jungen Frauen von Pussy Riot derzeit durch die (westlichen) Lande ziehen, illustriert mehr als anschaulich den Umgang mit Menschen, die in Russland eine andere als die offiziell Verordnete vertreten. Maria Aljochina hat immer noch die Fußfessel am Bein – die Flucht in den Westen ist ihr ja trotzdem gelungen. Videoprojektionen und deutsche Überschriften, da ist die Sprachbarriere kein Thema mehr. Die Bilder auf dieser Seite stammen von diesem Auftritt beim 42. Jazzfestival Saalfelden.

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Gut 230 Musiker und Musikerinnen aus zwanzig Ländern sind in den vergangenen Tagen beim 42. Jazzfestival Saalfelden zusammengekommen. Über 18.000 Besuche bei den 65 Konzerten (davon 39 bei kostenlosem Eintritt) an zwölf Spielstätten. Mit einer Rekord-Auslastung von 98 Prozent auf der Mainstage verbuchten die Veranstalter ein Rekordergebnis. Die Short Cuts und Wanderungen waren restlos ausverkauft.

Bereits die City Tracks-Auftaktkonzerte am Donnerstag fanden regen Anklang. Hammond-Spieler Raphael Wressnig und seine Mitstreiter verwandelten zusammen mit der Sängerin Gisele Jackson den Stadtpark in eine Party-Meile. Das Quintett Melting Pot „zweckentfremdete“ die Buchbinderei Fuchs zu einem Konzertraum. Die österreichisch-serbischen Formation OstBeatBend ließ Gipsy-Musik und Folk-Melodien vom Balkan hören.

Dass die Short Cuts im Nexus schon lang kein Geheimtipp mehr sind und sie für musikalische Trüffelsucher einen ganz besonderen Anziehungspunkt darstellen, zeigten schon die ersten beiden Konzerte zum Festivalstart, so dass sowohl die österreichische Band Ventil als auch das deutsch-britisch-türkische Quartett Usine um den Kontrabassisten und Elektroniker James Banner vor ausverkauftem Haus spielten. Und auch die folgenden Tage – beispielsweise mit dem Solokonzert des US-Amerikanischen Pianisten Jason Moran oder das Trio Acoustic Unity um Schlagzeuger Gard Nilssen – empfanden viele als Highlights. Letzterer und Schlagzeugerin Katharina Ernst waren in diesem Jahr Artists in Residence.

Mit ihrem industriellen Charme ist die Otto-Gruber-Halle als Spielstätte nun endgültig integriert. Bands wie die französische Formation Nout oder das Gard Nilssen-Projekt Bushman’s Revenge kreierten in der nüchternen Halle Soundkunstwerke, während der Stadtpark mit Luca Bassanese & La Piccola Orchestra Popolare trotz der zum Teil unsicheren Wetterlage erneut zu einer Bühne der guten Laune wurde – die aber auch Platz für die ironisch-abgründigen Töne eines Felix Kramer hatte.  

Nach dem Eröffnungskonzert der Mainstage im Congress Saalfelden durch den österreichischen Musiker Fabian Rucker, seinem Auftragsprojekt RUCKER und der Großformation Christoph Cech Jazz Orchestra Project gehörte die Bühne mit Emile Parisien, Paal Nilssen, dem Trondheim Jazzorchestra & Jason Moran, Isaiah Collier, Vincent Courtois und Vijay Iyer in diesem Jahr vor allem internationalen Formationen.  

Als besonderes Erlebnis gelten die Mountaintracks und Flashmobs, die dem Festival eine ganz eigene Note geben. Konzerte inmitten der Natur wie beispielweise das Kollingwald-Konzert zu dem Trompeter Cuong Vu Gitarrist Even Helte Hermansen und besagten Gard Nilssen einlud, spielten mit dem Begriff Klanglandschaft, während der Musiker Siegmar Brecher mit Gleichgesinnten an möglichen und unmöglichen Stellen der Stadt kreative Akzente setzte. Und dann ist es also gelungen, im Rahmen der City Tracks die regimekritische Polit-Punk-Gruppe aus Moskau Pussy Riot nach Saalfelden zu holen.

Mit den immer wieder dräuenden Regengüssen hat man sich arrangiert. So wurde beispielsweise der zweite „We Hike Jazz“-Ausflug mit Stammmusiker Lukas Kranzelbinder in das Bergbau- und Gotikmuseum Leogang verlegt, die Probe zum Sonnenaufgangskonzert „Ein halbes Quartett im Ruderboot“ mit Regenbekleidung (und viel Spaß) trotzdem abgehalten. „Was im Vordergrund stand“, so Mario Steidl, der künstlerische Leiter des Jazzfestivals, „war die großartige Stimmung bei Publikum, Künstlern und Team, die große Freude, wieder miteinander feiern zu können und neben zum Teil einmaligen Konzerten und Eindrücken eine gute Zeit zu haben. Dass wir heuer so viele Tickets verkauft haben wie noch nie, scheint uns hierin zu bestätigen.“
(Jazzfestival Saalfelden, Judith Kobus/dpk-krie)

Das 43. Jazzfestival Saalfelden wird von 17. bis 20. August 2023 stattfinden – www.jazzsaalfelden.com
Bilder: Jazzfestival Saalfelden / Johannes Radlwimmer 

 

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