Ein „Einwurf“ im Wortsinn
NEUMARKT / KUNSTPROJEKT
01/10/21 Acht Künstlerinnen und Künstler haben an einem geladenen Wettbewerb für ein Kunstprojekt in Neumarkt am Wallersee teilgenommen. Es geht ums Gedenken an einen lokalen Widerstandskämpfer. Bernhard Gwiggners Entwurf wird realisiert.
Zur Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in Salzburg errichtet das Land Salzburg in den kommenden sechs Jahren in jedem politischen Bezirk einen Gedenkort. Den Beginn macht man in Neumarkt am Wallersee. Dort wird man an den Gasthausbesitzer und Fleischhauer Georg Rinnerthaler erinnern. Er und sein Sohn wurden am Tag des „Anschlusses“ verhaftet und ein Jahr im KZ Dachau interniert. Als Georg Rinnerthaler im März 1939 aus dem KZ nach Neumarkt zurückkehrte, schlugen örtliche Nazis noch in derselben Nacht 51 Fenster seines Hauses ein.
Die Jury hat sich nun für das Projekt Einwurf des Salzburger Künstlers Bernhard Gwiggner entschieden. Es soll nächstes Jahr verwirklicht werden. Dazu erklärt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder: „Bernhard Gwiggner greift auf zwei markante Stellen aus der historischen Recherche von Albert Lichtblau und Robert Obermair zur Person des Gastwirtes Georg Rinnerthaler zurück, die er visuell und aktionistisch überblendet: eine Fotografie der Verhaftung Rinnerthalers unmittelbar nach dem ‚Anschluss‘ und das gewaltsame Einschlagen der Fensterscheiben.“
Es soll nicht beim Aufstellen eines Kunstwerks bleiben. Bei einer Kunstaktion bei der Eröffnung im Mai 2022 soll der Gewaltakt des Einschlagens der Fenster auch sinnlich erlebbar gemacht werden. „In einer aktionistischen Umsetzung auf einer psycho-physischen Ebene können beide Positionen, jene der Täter und des Opfers, eingenommen werden“, erläutert Fraueneder. „Damit verknüpft sind die Fragen wie jene nach gesellschaftlich legitimierter Gewalt, nach Ermöglichung und Verhinderung von Gewalt, nach Handlungsspielräumen damals und heute.“
„Das Kunstprojekt zieht sich über den ganzen Ort und wird so maximal sichtbar für die Bevölkerung und die Region“, freut sich der Neumarkter Bürgermeister Adolf Rieger (ÖVP). Alle Standorte, die im Wettbewerb als mögliche Plätze für eine künstlerische Intervention vorgegeben waren, würden genutzt.
Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn: „Unsere Erinnerungskultur muss lebendig bleiben. Dafür braucht es immer neue Zugänge. Mit Orte des Gedenkens bekommen wir ein gesellschaftlich, geschichtlich und politisch bedeutendes Kultur-Projekt, das alle Regionen Salzburgs aufsucht.“ „Anhand konkreter Orte und Biographien gehen wir hier den Weg vom ‚Denk-Mal‘ zum gemeinsamen Nachdenken über Geschichte und Gegenwart, über das Nachwirken der Zeit von Diktatur und Verfolgung und über Handlungsmöglichkeiten und Zivilcourage damals wie heute“, ergänzt Landesrätin Andrea Klambauer.
Der Wettbewerb wird von der Geschäftsstelle des Fonds zur Förderung von „Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg administriert. Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Das Land Salzburg stellt für das Gesamtprojekt 100.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.
(Orte des Gedenkens/Kunst am Bau/dpk-krie)