Meeresnymphe im Steinbruch
ADNET / PERFORMANCE / THETIS
02/07/21 Liefert man sich morgen Samstag (3.7.) und am Sonntag Hubert Lepka und seiner Gruppe Lawine Torrèn bei einer Theater-Wanderung in den Adneter Steinbruch aus, wird man nachher einiges erfahren haben über Thetis, die Hübscheste unter den vielen Töchtern des Meeresgottes Nereus.
Von Reinhard Kriechbaum
Wir wollen unsere Leserinnen und Leser nicht bevormunden, aber ein wenig Mythologie-Nachhilfe ist in Sachen Thetis ist wohl angebracht. Viel philologisches Rüstzeug kriegt man im Gymnasium heutzutage ja nicht mehr mit. Die Meeresnymphe hatte es insofern schlecht getroffen, als man orakelte, ihr Sohn werde stärker sein als der Vater. Auf selbstgemachte Konkurrenz verzichteten die Götter liebend gerne und überließen Thetis einem Sterblichen, Peleus. Thetis sträubte sich, indem sie sich in allerlei Ungetier (sogar in einen Tintenfisch) verwandelte – unterschiedliche antike Autoren sind da sehr erfindungsreich. Wie es Ovid schildert, würde man die Begattung durch Peleus eher eine Vergewaltigung nennen, aber #MeToo war damals ja noch kein Thema. Der Sohn von Thetis und Peleus hat's tatsächlich zu Ruhm gebracht: Achilles. Bei der Hochzeitsfeier der beiden gerieten die Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite in Streit wegen des Apfels, der zum Zankapfel wurde. Der Trojanische Krieg war die Folge. Ohne die Thetis-Story wäre die griechische Mythologie um viele Geschichten ärmer.
Ein starker Stoff, der mannigfach Assoziationen anregt – so etwas ist ganz nach dem Gusto des Salzburger Theatermachers Hubert Lepka, dem für solche mythologischen Exkurse auch immer imponierende Naturkulissen einfallen. In diesem Fall führt er sein Publikum in einen der Marmorbrüche in Adnet. Er setzt „die Geschichte der Hochzeit der Meeresnymphe Thetis mit Peleus zwischen die Schichten des hunderte Millionen Jahre alten Jura-Kalkes, Ablagerungen des Meeres Tethys, auf denen Salzburg und seine Umgebung ruht.“ Die Titanin Tethys war die Großmutter der Nymphe, aber das führt jetzt wohl zu weit.
Das Tanztheater Thetis mit den Protagonisten Eftychia Stefanou und Simone Benini wird „ein performatives Shooting für Film und Foto“, sprich: Es ist erst der Anfang von etwas, was man in drei Wochen (von 24. bis 27. Juli) als Ausstellung in der Szene Salzburg wird sehen können. „Fotos und Film treten immersiv in den Theaterraum“, heißt es kryptisch. Und damit nicht genug. Der Bildhauer Peter Niedertscheider erarbeitet in der Folge aus dem Material der Steinbrüche und der darin entstandenen Fotos rilievi schiacciati (Flachreliefs). „Wir nennen diesen Prozess des Gestaltens anhand einer Story, die immer nur zum Teil auftaucht, Invisible Tale. Das Performative ist ein Zwischenschritt und nicht das Endprodukt.“
Jetzt erst einmal das Performative: Treffpunkt für den kurzen Weg in den Lienbacherbruch ist beim Kirchenbruch, hinter der Adneter Kirche. Eine Stunde Wegzeit inklusive Performance ist vorgesehen. Ob Regenmantel oder Sonnencreme wichtiger ist, wissen die Götter.
Feste Schuhe schaden nicht, denn bei Ovid lesen wir über die Gegend: „Hart ist oben der Strand, und behält nicht Spuren des Fußes, / Noch verweist er den Gang, noch deckt ihn schwebendes Meergras. / Nah ist Myrtengesträuch, voll dunkeler Beeren und heller. / Eine Grott' ist darin; ob Natur, ob Kunst sie gebildet, / Zweifelte man; mehr aber die Kunst...“