Aus drei mach vier
DIABELLI SOMMER / DAS BESONDERE TRIO
26/06/19 Gottfried Franz Kasparek, heuer letztmalig künstlerischer Leiter in Mattsee, fiel einst der Ensemble-Name „Das besondere Trio“ ein, unter dem nun Benjamin Schmid, Clemens Hagen und Ariane Haering firmieren. So etwa am Dienstag (25.6.) mit Werken von Beethoven und Rebecca Clarke. Zu Brahms nach der Pause gesellte sich Veronika Hagen.
Von Horst Reischenböck
Seit dem Jahr 2000 zählt der Mattseer Diabellisommer zum längst unverzichtbaren Angebot. Wer diesbezüglich an die Vielzahl von Veranstaltungen im Land Salzburg denkt, muss sich um die Kulturnation Österreich wenig sorgen - auch, was die Besucherfrequenz, sogar unter der Woche betrifft: Dienstag war die Kollegiatskirche randvoll besetzt. Als Lockvogel fungierte zweifellos Star-Geiger Benjamin Schmid, der innerhalb weniger Tage bereits zum zweiten Mal das musikalische Geschehen anführte.
Der Aufschwung des Klaviers führte seitens Liebhaber im 18. Jahrhundert zu verstärkter Nachfrage nach Musikalien, die nicht zu kompliziert waren. Die Besetzung Klavier-Geige-Violoncello passte da perfekt: Den Bedarf zu befriedigen beeilten sich Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart. Ludwig van Beethoven entfernte sich mit seinem Opus 1 bereits eindeutig von den Vorbildern und stellte im – nicht von ihm nicht so betitelten - „Geistertrio“ in D-Dur op. 70 Nr. 1 erst recht Anforderungen, die Dilettanten kaum mehr bewältigen konnten.
Das beweist schon der energische Kopfsatz im Unisono der drei Instrumente, aus dem sich sofort der Gesang des Cellos entspinnt. Clemens Hagen bewies dabei, dass eine Themenaufstellung beim zweiten Mal durchaus spannend und abwechslungsreich gestaltet werden kann. Wobei die Instrumentalisten im weiteren Verlauf auf Beethovens Anweisung verzichteten, den anschließenden Kraftakt von Durchführung samt Reprise auch zu wiederholen. Ariane Haerings Tremoli aus dem Bösendorfer, in Verbindung mit den fahlen Tönen, die Benjamin Schmid seiner Violine entlockte, muteten wie eine Vorwegnahme von Klängen Franz Schuberts an.
Nach dem aufgeräumten Presto-Finale galt das Hauptaugenmerk einer Erstaufführung. Kaspareks Leidenschaft gilt heuer Komponistinnen und dabei frönt er auch Musik englischer Herkunft. Wie die vor 40 Jahren verstorbene Rebecca Clarke, die später in die USA ging und bislang in unseren Breitengraden so gut wie unbekannt blieb. Das sollte sich ändern! Clarke ist ein Beispiel dafür, dass sich nur Stärkste behaupten und durchsetzen konnten: In ihrer Kindheit durch einen tyrannischen Vater drangsaliert, der sie später aus dem Haus warf, studierte sie trotzdem und wurde eins der ersten weiblichen Mitglieder des Queen‘s Hall Orchestra London in der damals Männer-dominierten Welt. Abgesehen von Liedern komponierte sie vornehmlich Kammermusik. So 1921 ein Werk wie geschaffen für „Das besondere Trio“, ein Klaviertrio, mit dem sie dem Vorurteil begegnete, Frauen wären nicht imstande, in komplexeren musikalischen Formen zu denken. Wohl deswegen betont wütend, kratzbürstig, voll klirrender Scharniere, in den Ecksätzen nur durch wenige poetisch an Impressionismus gemahnende Momente unterbrochen. Mittendrin eine mit Flageolett angestimmt geringfügig positivere Meditation.
Da passte von der Stimmung her zur Ergänzung ideal das Klavierquartett Nr. 3 in c-Moll op. 60 von Johannes Brahms, sein letzter Beitrag zur Gattung. Mit Veronika Hagen und Clarkes ureigenstem Instrument, der Viola, für die diese auch eine zeitgleich wie Paul Hindemith gewichtige Sonate schuf. Veronika wird sie am 4. Juli in Mattsee spielen.
1996 hatte sich Benjamin Schmid mit Mitgliedern des rumänischen Pro Arte Quartett intensiv mit dem Brahms-Quartett auseinandergesetzt. Der befand darüber seinem Verleger: „es ist zur Hälfte alt, zur Hälfte neu – es taugt also der ganze Kerl nichts! Außerdem dürften Sie auf dem Titelblatt ein Bildnis anbringen! Nämlich einen Kopf mit einer Pistole davor.“ Schmid und seine Gattin am Flügel zusammen mit beiden Hagens kämpften sich entsprechend dieser Aussage vom ersten Forte an vehement ins eröffnende Allegro und jagten durch das anschließend genauso beklemmend düstere Scherzo. Kaum war das geringfügig aufhellende Andante danach verklungen, tobten die Vier dann unüberhörbar Beethovens Schicksalsmotiv hinterher, das Brahms im düsteren Finale dann nicht aus dem Kopf gegangen war. Grandios, mitreißend interpretiert!
Bilder: Diabelli Sommer / Maislinger