Was die Bahntrasse erzählt und wie Traktoren glühen
KULTURFÖRDERUNG / WAHRE LANDSCHAFT
18/04/18 Wer sagt eigentlich, dass nur die Alpen glühen? Für den Wettbewerb „Wahre Landschaft“ hat das Kollektiv „Alpine Gothic“ ein Projekt „Alpenglühen am Wiesenrand“ eingereicht: Es soll „wieder Romantik in den ländlichen Alltag bringen“.
Von Reinhard Kriechbaum
Wie das funktioniert? Die Autolackierer können sich schon mal in die Startlöcher stellen. Bei Reparaturen landwirtschaftlicher Geräte sollen kostenfrei Karosserieteile ausgetauscht werden. „Die immaterielle Farbe 'Alpenglühen' auf die Arbeitsgeräte örtlicher Bauern zu bringen, indem man desolate Bauteile von z.B. Traktoren damit lackiert, ist gleichermaßen utopisch und sympathisch“, schreibt dazu die Jury. Das sei „Nachbarschaftshilfe in einer neuen Definition“. Diesen Satz können wir (noch) nicht einordnen, aber die Sache wird sich im Lauf des nächsten Jahres schon erschließen. Vielleicht ist damit gemeint, die Autolackierer besser auszulasten, womit sogar so etwas wie Umwegrentabilität zustande käme.
Für die Kultur-Förderschiene „Wahre Landschaft“ haben also findige Köpfe im Lande die ihren wieder rauchen lassen. Insgesamt 100.000 Euro stehen alle zwei Jahre für die Förderung kulturelle Projekte außerhalb der Landeshauptstadt zur Verfügung. „Kultur bis ins entfernteste Eck von Salzburg“, schreibt dazu die Landeskorrespondenz.
Paul Stadlers „Skulpturentheater“ erfüllt dies, denn „auf dem Gelände des Art Chalets Vorderschuhzach, auf 1.000 Metern Seehöhe über St. Johann im Pongau, sollen 2018 verschiedene künstlerische und kunstvermittelnde Projekte realisiert werden, welche einen interdisziplinären und intermedialen Ansatz verfolgen und dabei in Bezug zu der Gebirgslandschaft stehen“. Darin sieht die Jury (Sandra Chatterjee, Leo Fellinger und Günter Friesinger) „eine beispielhafte, dialogische Intervention, beflügelt von einem Spannungsfeld, das zwischen lokal (Konzeption) und international (Künstler) gespeist wird, aber vor allem aus dem unmittelbaren Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und Natur“.
Mit Bergen hat auch „White Out“ von Hanna und Julia Rohn zu tun, eine „installative Performance über den Schnee und das Weiß, das in unserer Kultur symbolisch für Unschuld“ stehe. Diese Unschuld bezweifelt man, die Jury erkannte ein „hochästhetisches und zugleich zeitgenössisches Gesellschafts- und Wirtschaftsdrama“, unserer Schiregionen eingebettet, und schwärmt schon im Vorhinein von einer „großartigen regionalen Verknüpfung“ und „starken ästhetischen Momenten“, Man erwartet „eine Reise zwischen Fiktion und Wirklichkeit – installativ, performativ und regionsbezogen“.
Bei den Preisträgern ist auch das Theater Ecce, das mit der Pinzgaubahn von der „Schattseite“ Franz Innerhofers zu den „Schönen Tagen“ im „Chalet Innergebirg" zeit-reist. Draus soll eine Komödie werden, die man über ein Jahr hindurch entwickelt und im Rahmen des VOLXOMMER Festivals im Kunsthaus NEXUS zur Aufführung bringen wird. „Wahre Landschaft und die erzählerische Kraft der Bahntrasse. Das kann nur Reinhold Tritscher gelingen“, mutmaßt die Jury, die ihre Pappenheimer ja kennt. Wolfgang Seierl will mit einem „Café Susi“ Kommunikations- und Kooperationsprozesse in Stuhlfelden in Gang setzen bzw. das, was er mit der ORTung dort in Gang gebracht hat, fortsetzen. Das ist eine die Nachhaltigkeit fördernde Initiative.
Die „Audiolandschaft Pongau“ will Roland Wegerer beschreiben, indem er mittels Tonaufnahmen und Fotografien (vom jeweils gleichen Standort) ein multimediales Landschaftsbild nachzeichnet, das man online abrufen wird können.
Wahre Landschaft im Wortsinn hat die Jury im Projekt „Getiere“ von Sophie Birkmayer, Tammo Claassen, Korinna Lindinger und Karla Spiluttini entdeckt, die mit traditionellen Handwerkstechniken und digitalen Fertigungstechniken Wesen schaffen wollen, zu denen der Jury Stichworte wie Volksmund, Legende und Brauchtum eingefallen sind.
David Röthler schwebt ein „Digitaler Resonanzraum“ vor, der mit Unterstützung von FS1 entsprechende Reichweite bekommen soll. Konkreter klingt der „Psylitzer“ von Gunda Gruber, eine fahrende Music-Box „in der Tradition der fahrenden Musikanten oder des Wanderkinos“. Das ist in Wirklichkeit eine Live-Performance, mit der eine Künstlergruppe „Ortsfeste, Kirtage, Seefeste, Feuerwehrfeste und vieles mehr beglücken“ möchte.
Die 2017 ins Leben gerufene Initiative „drum“ aus Obertrum hat mehrere Projekte eingereicht, die Gemeinde und Umland kulturell weiterbringen soll. Die Förderung“ im Rahmen von „Wahre Landschaft“ soll also den Anschub garantieren.
Projektdetails und Jurybegründungen