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Weit und ziemlich nah

FILMFESTIVAL RADSTADT

06/11/17 Heimatfilm. Das hat, so wie Elisabeth Schneider das Genre in dem von ihr kuratierten „Filmfestival Radtsadt“ fasst, nur gelegentlich mit Dirndl und Lederhose zu tun. Das Filmfestival Radstadt findet zum 16. Mal statt, von 8. bis 12. November.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein wichtiger Aspekt: Heimat ist auch anderswo. Zum Beispiel in Frankreich. In dem Film „Der Wein und der Wind“ von Cedric Klapisch haben drei Geschwister die schwierige Entscheidung zu treffen, wie es mit dem Familienweingut weitergehen soll. Vor einer ähnlich, wenngleich kleiner dimensionierten Frage stand die Lungauerin Yvette Löcker, als der Vater ihr und ihren Schwestern ein kleines Haus übertrug: Was tun damit? Für Yvette Löcker, die in Berlin lebt und es zur Dokumentarfilmerin gebracht hat, war plötzlich ein genauerer Fokus auf die Heimat nötig – und das hat sie in dem bei der Diagonale in Graz preisgekrönten Film „Was uns bindet“ auto- und familienbiographisch festgehalten.

Ein Oberndorf gibt es nicht nur an der markanten Salzachschlinge, sondern auch im Mündungsgebiet der Elbe. Im Dorf in Niedersachsen hat man andere Probleme als in Salzburg. Mit einem kühnen Projekt wollen die Leute dort Geld lukrieren. Gülle haben sie genug, sie soll Energie liefern für die Zucht von Bananenbäumen. „Von Bananenbäumen träumen“ heißt der Film von Antje Hubert, der in Radstadt als Österreichische Erstaufführung gezeigt wird. In der Stadt Salzburg machen Leute anders Geld, zum Beispiel mit dem Salzachschifflein, das im ultra-kurzen Trickfilm „Salzburg rundum“ von Norbert Trummer durch eine Szene zuckelt. Trummer hat sich die Sache aus der Perspektive des Sattler-Panoramas in der Gegenwart angeschaut.

Das 16. Filmfestival Radstadt präsentiert an fünf Tagen 28 Filme, davon neun Salzburg-Premieren. „Einen großen Stellenwert in der Auswahl hat auch das Filmschaffen von Salzburger Regisseuren“, betont Elisabeth Schneider auch heuer. Also darf natürlich nicht Adrian Goigingers ebenfalls bei der Diagonale preisgekrönter Spielfilm „Die beste aller Welten“ fehlen. Goigingers Heimat war der salzburgische Stadtteil Lehen.

Der aus Saalfelden stammende Richard Rossmann hat mit „Ski Heil“ die Nazi-Karriere der Großväter-Generation kritisch betrachtet und mit „Tagaus tagein“ eindrucksvoll den Alltag alter Bergbauern porträtiert. In seinem neuen Dokumentarfilm „Äpfel und Birnen“ geht es wohl ums Schnapsbrennen, aber natürlich in erster Linie um die Menschen, die damit ihr Fortkommen finden – oder auch nicht.

Manchmal ähneln Heimaten einander auf erstaunliche Weise. „Different Bayern“ entdeckt Austin Abassi. Der Profifußballer aus Ghana wird nach Europa verkauft, landet aber nicht beim großen FC Bayern, sondern in einem bayrischen Kaff mit einem ziemlich letztklassigen Fußballverein. Bald stellt er fest, dass der Ort Gretzing und Ghana mehr gemein haben, als er glauben wollte...

Deutlich ernster ist die Lage für Paul Nkamani aus Kamerum. Auf seiner Flucht lernte er in Marokko den Berliner Filmemacher Jakob Preuss kennen. Die Schlauchboot-Fahrt übers Mittelmeer endete dramatisch: Die Hälfte der Insassen kam um, Paul überlebte. Der Regisseur sah die erschütternden Bilder der Rettung im Fernsehen und begab sich auf die Suche nach Paul: Auftakt zu einer weiteren innereuropäischen Fluchtgeschichte: „Als Paul über das Meer kam“ heißt der Film darüber.

Könnte Heimat nicht auch die ganze Welt sein? Ja schon. Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser sind das quasi im Selbstversuch angegangen und in dreieinhalb Jahren rund 97.000 Kilometer gereist. Ohne zu fliegen und mit einem kleinen Budget in der Tasche erkundeten sie die Welt, stets von Neugierde und Spontanität begleitet. Zwischendurch sind sie sogar Eltern geworden, also zu dritt heim gekommen. Als sie im Frühjahr 2016 nach einer Schiffspassage von Costa Rica nach Spanien wieder europäischen Boden unter den Füßen spürten, haben sie die Weltumrundung mit einem 1200 Kilometer Fußmarsch bis vor die Haustüre in Freiburg vollendet. Der Filmitel verwundert ganz und gar nicht – „Weit“.

16. Filmfestival Radstadt von 8. bis 12. November 2017 im Zeughaus im Turm – www.daszentrum.at
Bilder: Das Zentrum

 

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