Sogar zwei Uraufführungen
SCHUBERT IN GASTEIN / CAMERATA SALZBURG, GREGORY AHSS
19/09/16 Zum Einstand in die bereits vierte Auflage des kleinen, feinen Festivals in Badgastein bewies die Camerata Salzburg, dass sie auch Sinfonisches ohne Dirigenten problemlos umsetzen kann. Ein Ereignis: der Liedsänger Matthias Winckhler.
Von Horst Reischenböck
1816 war ein befruchtendes Jahr. Vielleicht nicht so sehr für Salzburg (dem Land wurde damals die eher ungeliebte Verbindung mit der Habsburger-Monarchie aufs Auge gedrückt), aber musikalisch jedenfalls: Damals, fast auf den Tag genau im September, begann der 19jährige Franz Schubert die Niederschrift seiner Sinfonie Nr. 5 in B-Dur D 485. Mit ihr begann die Camerata Salzburg ihr Donnerstagabend (15.9.) ihr schon traditionelles Konzert in der Preimskirche zum Auftakt der vierten diesem Komponisten gewidmeten Veranstaltungsreihe.
Diesmal werden auch Raritäten von Kollegen miteinbezogen, etwa am Freitag (16.9.) des Salzburgers Anton Diabelli devotes Kaiser-Melodram „Glorreiche Rückkehr Franz des Allgeliebten in seine Residenz am 16ten Juny 1814“ nach dem Sieg. Da hätte auch Sigismund Neukomms Kantate „Napoleon's Midnight Review“ gut als Ergänzung draufgepasst. Von ihm erklang am Samstagnachmittag (17.9.) sein mit Abstand poluärstes Kammermusikwerk erklang, das B-Dur-Klarinettenquintett op. 8 mit den Variationen über ein auch von Beethoven benutztes Thème russe. In Wirklichkeit ist es das ukrainische Volkslied „Schöne Minka“. Über diese Repertoire-Bereicherung freut sich nicht nur der Solist Wolfgang Klinser. Das Stück erklang zwischen Mozarts A-Dur-Quintett KV 581 und Schuberts Streichquartett in E-Dur D 353 (op. Posth. 125/2).
Im Orchesterkonzert zum Auftakt wurde die Camerata diesmal, wie schon in ihren Programmen zu Jahreswechseln erprobt, vom stehend mitspielenden Konzertmeister geleitet. Einfach, logisch, zwingend. Konnte sich Gregory Ahss doch blind dem anvertrauen, was ihm „sein“ Orchester an Können bot. Zart im Ausspielen der mozärtlichen Lyrismen, mit Beifügen der durchaus auch schmerzlich liegenden Binnentöne seitens der Holzbläser. Die Wiedergabe war nur mit dem Manko befrachtet, dass konsequent Wiederholungen – etwa der traditionell vorgegeben Themenexposition im Kopfsatz – verweigert wurden. Damit geriet eigentlich die innere Balance aus dem Gleichgewicht geriet.
Dasselbe Bild auch bei dem – nicht dem Titel nach „tragisch“ – nichtsdestoweniger aber wohl mitunter im Andante traurig vorangegangenen Schwesterwerk in c-Moll D 417, von Schubert am 27. April 1816 beendet. Ein Schlusspunkt wie aus einem Guss, exzellentes Anschauungs-, nein Hörmaterial des Könnens aller Beteiligten, denen es gelang, auch in den dramatisch dynamischen Ausbrüchen die Akustik des Sakralraums nicht zu überfordern.
Dazwischen als vokales Ereignis der Matthias Winckhler. Einst Student Wolfgang Holzmairs am Mozarteum, gewann der Münchner 2014 den Mozart-Wettbewerb in Salzburg und debütierte ein Jahr später bei Festspielen. Zuvor war er bereits Preisträger beim Internationalen Franz Schubert Wettbewerb in Dortmund. Damit empfahl er sich mit sonor profundem Schmelz eindrucksvoll ausdrucksstark im Liedfach. In den Gesängen des Harfners aus „Wilhelm Meister“ D 478 bzw. op. 12, denen Patricio Cueto ein passend ernst gestimmt orchestrales Klangbild maßschneiderte, und in der darauffolgenden Matinee mit weiteren Goethe-Vertonungen, aber auch Ludwig van Beethovens Zyklus op. 98 „An die ferne Geliebte“. Hoffentlich hört man diesen Sänger bald wieder.
Am Sonntag (18.9.) erklangen in der Böcksteiner Kirche nicht nur Schuberts Messe Nr. 4 C-Dur D 452, ebenfalls 1816 entstanden. Uraufgeführt wurden der Psalm 103 von Shane Woodborne und „Drei alt-irische Segenssprüche“ von Klemens Vereno. Alois Glaßner dirigierte den Salzburger Bachchor und die Camerata.