„geil“, „megageil“, „hammergeil“
MEDIEN / ORF / DIE GROSSE CHANCE DER CHÖRE
07/05/14 Endlich spielt der Chor (als Ensemble mit mindestens 4 Mitgliedern) im ORF eine Rolle - und dann das: „Die große Chance der Chöre“ verhält sich zu ernsthafter Chormusik etwa so wie "Dancing Stars" zu klassischem Ballett oder "Musikantenstadl" zu echter Volksmusik.
Von Wolfgang Stern
Während Ö1 zum „Bird Song Contest“ einladen und damit ein kreativ-ironisches Statement abgibt zur vokal-medialen Causa prima der nächsten Wochen, hat das Fernsehen das Chorsingen zum Wettbewerbsthema gemacht, im Hauptabendprogramm. Die häufigste „Beurteilung“ in den Vorrunden und im Halbfinale am 1. Mai war nicht „ausgezeichnet“, sondern dem Niveau der Sendung angepasst: „geil“, „megageil“ oder „hammergeil“.
Nach zwei Sendungen und dem am 1. Mai ausgestrahlten Halbfinale muss sich bei einem echten Chorleiter der Magen umdrehen, wenn man das von den vier „Juroren“ verwendete Vokabular genauer betrachtet. Larissa Marolt („Dschungelqueen“), die Society-Lady und Seitenblicke-Selbstdarstellerin Birgit Sarata (auch als Sängerin bezeichnet), der Comedian Oliver Pocher und der Tänzer und Choreograph Ramesh Nair treten in diesem Wettbewerb, zu dessen Finale morgen Freitag (8.5.) dem Siegerensemble immerhin 25.000 Euro winken, als Beurteilende auf, ohne von der eigentlichen Sache eine Ahnung zu haben. Das zeigt schon das Vokabular in Form von verschiedenen „Geil“-Varianten der jüngeren Juroren oder dem „großartig“ und „wunderbar“ der Älteren. Mister „Wunderbar“ ist ja ein Seitenblickkollege von Frau Sarata, die kein einziges Mal auch nur annähernd einen musikalischen Fachbegriff verwendete.
Sowieso wird Unvergleichbares miteinander verglichen. Da wird höchste Qualität etlicher Gruppen mit einem derb singenden und auf einfachste Literatur zurückgreifender Matrosenchor (der einzige im österreichischen Binnenland) bei der Bewertung gleichgesetzt. Der Joker einer Sarata zum Weiterkommen dieser Männerrunde in Uniform führt möglicherweise dazu, dass diese Männer fürderhin glauben, sie können hervorragend singen. Falsche Selbsteinschätzung ist die natürliche Folge solcher Sendeformate. Das schadet letztlich der sehr gut funktionierenden Österreichischen Chorlandschaft.
Wie in die Irre geführt wird da der Zuseher, der einer solchen „Jury“ womöglich Glauben schenkt! Wirkt ein Chor eines Fussballvereines caritativ, dann wird dieser schon überbewertet (mit Plus von allen Jurymitgliedern), obwohl die Musik sich ziemlich katastrophal anhört. Und dazu kommt dann noch Toni Polster… „Ach ja, wir kennen uns ja von den Seitenblicken!“
Ein Kriterium für die Sendereihe war: Kreative und außergewöhnliche Chöre sind aufgerufen, sich zu bewerben. Gott sei Dank nahmen auch einige österreichische Spitzenensembles an diesem Wettbewerb teil und ließen sich unprofessionell bewerten. Das Siegerensemble wird dann nicht von der Jury, sondern von den Sehern durch Voting bestimmt. Der Showeffekt wird dabei entscheidend sein, mit einem allgegenwärtigen Hit und einer entsprechenden organisierten Lobby hat man gewiss einen nicht geringen Startvorteil.
Die folgenden Vokalensembles sind im Finale vertreten: Der "BORG Gastein Chor", "Die Echten", "Volunteer Chor – Voices of Volunteers", der Kinderchor "Calypso", die "Massive Beats Crew", "Chilli da Mur", der "HIB.art.chor" und "Piccanto". Alles Gute und viel Glück!
Finalrunde „Die große Chance der Chöre“: Freitag (8.5.), 20.15 Uhr, ORF1 – diegrossechance.orf.at