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Die Ehre der Familie

NEU IM KINO / DIE FREMDE

23/03/10 In ihrem Kinodebüt als Produzentin, Drehbuchautorin und Regisseurin hat sich Feo Aladag mit dem „Ehrenmord“ auseinandersetzt. Wo Feo Aladags Sympathien liegen ist klar. Aber der Film ist nicht nur schwarz-weiß gezeichnet.

Von Michael Russ

Ehrenmord ist die – von der Presse geschaffene? – Bezeichnung für den Mord an meist jungen Frauen, die durch einen von den Traditionen abweichenden Lebensstil angeblich die Ehre der Familie beschmutzen, in Wirklichkeit aber einfach den absoluten Herrschaftsanspruch der Männer in Frage stellen. Begangen werden diese Morde meist von minderjährigen Söhnen, angeblich weil diese mit der geringsten Haftstrafe davonkommen, in Wirklichkeit wohl weil sie das schwächste Glied in der Kette sind und sich den Älteren ebenso unterwerfen müssen wie die Frauen. Die in Wien geborene Feo Aladag hat sich für ihre erste Regiearbeit dieses schwierige Thema vorgenommen.

Umay (Sibel Kekilli) ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, lebt jetzt mit ihrem Mann Kemal (Ufuk Bayraktar) und ihrem Sohn Cem (Nizam Schiller) in Istanbul. Kemal ist ein Macho und schlägt sie und ihren Sohn. Umay beschließt, heimlich zu ihrer Familie nach Berlin zurückzukehren und ein neues Leben anzufangen.

Die Familie freut sich zwar über den unerwarteten Besuch, die Freude legt sich aber schnell, als klar wird, dass Umay nicht zu ihrem Mann zurückkehren will. Damit verstößt sie nämlich gegen etliche Normen, die im Umfeld ihrer Familie hoch gehalten werden und gefährdet das Ansehen ihrer Angehörigen. Umay lässt sich jedoch nicht irritieren, findet Arbeit und besucht die Abendschule, um die Matura zu machen und später zu studieren. Die Spannungen steigen noch, als Kemal anruft und mitteilt, dass er zwar die „deutschländer Hure“ nicht zurückhaben will, aber wünscht, dass Cem nach Hause geschickt wird, was Umay strikt verweigert. Zufällig hört sie, dass ihr älterer Bruder Mehmet (Tamer Yigit ) Cem zurückbringen will und versucht in der Nacht mit ihrem Sohn die elterliche Wohnung zu verlassen, was aber nicht gelingt, weil alle Schlüssel versteckt sind. Kurzentschlossen ruft sie mit dem Handy ihrer Schwester die Polizei, lässt sich von zwei Beamten aus der Wohnung eskortieren und kommt in einem Frauenhaus unter. Das untergräbt das Ansehen der Familie endgültig, gefährdet somit die Hochzeit ihrer jüngeren Schwester. Umays verbissene Versuche zu Versöhnung und Anerkennung ihrer Wünsche werden abgeschmettert und erhöhen nur die Verbitterung ihrer Familie. Als der Vater entdeckt, dass Umay einen deutschen Freund hat, holt er sich in einem türkischen Dorf Rat.

Wo Feo Aladags Sympathien liegen ist klar. Das ergibt sich schon daraus, dass sie für die Rolle der Umay mit Sibel Kekilli nicht nur eine exzellente Schauspielerin, sondern auch eine attraktive, sympathische Frau ausgewählt hat. Aber der Film ist nicht nur schwarz-weiß gezeichnet. Auch Umay hat ihre Fehler, ihr zweifacher Auftritt bei der Hochzeit ihrer Schwester legt das klar. Und ihre Familie ist nicht nur böse, die Zerrissenheit, die aus der Liebe zu Umay einerseits und der ungeschriebenen Gesetze ihres Umfeldes andererseits entsteht, wird klar herausgearbeitet. Trotzdem ist es aber nicht möglich und wohl auch nicht vorgesehen, für die Konsequenzen, die der Vater und Mehmet schließlich ziehen, Verständnis aufzubringen. Beim Abschied zwischen Umay und ihrem Vater wird klar, dass dem alten Mann das Unrecht seiner Handlung einsichtig ist. Trotzdem lässt er den Dingen ihren Lauf.

Der Film ist sehr ruhig fotografiert (Kamera: Judith Kaufmann) und inszeniert, auf hektische Schnitte wird verzichtet. Im Versuch die Lage von Umay und ihrer Familie genau auszuleuchten entstehen ein paar Längen. Der Schluss gerät um eine Spur zu demonstrativ, vielleicht wäre doch das Ende, mit dem alle rechnen, besser gewesen. Aber alles in allem ist „Die Fremde“ ein sehr guter, aufwühlender Film geworden.

Bilder: Filmladen

 

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