Und plötzlich ein Lächeln
NEU IN KINO / BARBARA
07/05/12 Das Kino des Christian Petzold – das ist der Augenblick, bevor wir aufwachen. So hat es ein deutscher Kritiker einmal sehr treffend beschrieben. Es versetzt uns in einen tranceartigen Zustand, in dem man stets die Wirklichkeit des eben Gesehenen anzweifelt.
Von Andreas Öttl
Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Regisseur versteht es Christian Petzold, mit einfachsten Mitteln Atmosphäre zu erzeugen und eine Geschichte durch Stimmungen zu erzählen. Verbunden mit seinem genauen Blick auf seine Charaktere ist er – in Anspielung auf eine Szene in seinem neuen Film – so etwas wie der Rembrandt des deutschen Kinos.
Sein neuer Film „Barbara“ erzählt von einer Kinderärztin, die von Ostberlin in die Provinz strafversetzt wurde, da sie einen Ausreiseantrag in den Westen gestellt hat. Ihrem neuen Chef Andre und den Kollegen gegenüber bleibt sie vorerst distanziert und verschlossen. Ihr Geliebter aus dem Westen kommt gelegentlich für heimliche Treffen in die DDR um ihre Flucht zu organisieren. Als die Ausreißerin Stella in das Krankenhaus eingeliefert wird, kümmern sie und Andre sich intensiv um das Mädchen. Barbara beginnt an sich und ihren Plänen zu zweifeln. Einerseits möchte sie weg aus dem Land, das keine Zukunft für sie bietet, andererseits wird sie plötzlich gebraucht…
„Barbara“ ist Petzolds bisher emotionalster Film, was jedoch nicht bedeutet dass der Film nicht wie gewohnt kühl und reduziert inszeniert ist. Ein Liebesfilm zwar und einer, der einen durchaus berührt, aber eben auf eine ganz und gar unsentimentale Art. Diese Widersprüche machen Petzolds Film so faszinierend: die Strenge und emotionale Abgestumpftheit der Charaktere einerseits, die Zärtlichkeit und der inhärente Humanismus andererseits. Dieser zeichnet auch den Regisseur aus, der zwar die Gesellschaft als eine konstante Bedrohung zeichnet, jedoch großes Mitgefühl für seine Figuren zum Ausdruck bringt. Erfrischend ist auch, dass die DDR hier weder als heruntergekommener Ort der Unterdrückung noch als schrullig-heitere Idylle dargestellt wird. Im Grunde ist die Geschichte nicht an einen Ort und eine Zeit gebunden.
„Barbara“ ist das Reifezeugnis von Christian Petzold, welches er bereits in Form des Regiepreises bei der Berlinale erhalten hat. Ein elegant konstruierter, erhabener Film der kleinen Momente. In Hauptdarstellerin Nina Hoss, mit der er nun schon zum vierten Mal zusammen gearbeitet hat, hat der deutsche Antonioni zudem endgültig seine deutsche Monica Vitti gefunden. Ihre diskrete Darstellung unterdrückt zwar jegliche Emotionen, dennoch gelingt es ihr, die innere Unruhe ihrer Figur zu vermitteln. Diese fragile Kühle ist die perfekte Ergänzung für die Filme von Christian Petzold, bei denen es auch stets unter der Oberfläche brodelt. Auch wenn sie in einer der schönsten Szenen des Films plötzlich etwas macht, das man von ihr – und dem Kino von Christian Petzold – nicht erwartet hätte. Sie lächelt.