Ein schöner Film über das Ende der Welt
NEU IM KINO / MELANCHOLIA
09/12/11 "Melancholia is not negative, it is a positive feeling. It's not about depression. It's a feeling of longing." – Dieses Zitat von Ville Valo, Sänger einer finnischen Rockband, drückt ziemlich genau aus was Lars von Trier mit “Melancholia” wohl sagen will.
Von Andreas Öttl
Der Regisseur selbst hingegen versteht es – wie wir seit seiner verbalen Entgleisung in Cannes wissen – nicht immer so gut, in Worten auf den Punkt zu bringen, was er eigentlich meint. Auf filmische Weise gelingt ihm dies schon viel besser, was auch die überwiegend positiven Kritiken seines Films belegen. Erst dieser Tage wurde der Film sogar in Berlin mit dem europäischen Filmpreis ausgezeichnet.
Fakt ist wohl auch dass, seine kontroverse Pressekonferenz, bei der er mit Hitler sympathisierte, dem Film mehr Aufmerksamkeit bereitet hat, als es die beste PR-Kampagne hätte schaffen können. Ein neuer Lars von Trier-Film ist ohnehin bereits ein Ereignis, über das die ganze Filmwelt spricht, aber nun ist der Regisseur auch bei Leuten ins Gespräch gekommen, die sich für Filme normalerweise überhaupt nicht interessieren. Dennoch wird es „Melancholia“ auf dem Markt wohl nicht so leicht haben aufgrund des schwer zu kategorisierenden Status als „Arthouse-Blockbuster“ irgendwo zwischen „Das Fest“ und „Armageddon“. Anderseits ist Lars von Trier für sich ja bereits eine Marke geworden. Er hat eine große Fangemeinde hinter sich.
Die Hauptfigur Justine (Kirsten Dunst, in Cannes für diese Rolle als beste Schauspielerin gekürt) arbeitet in der Werbebranche und muss sich im Laufe des Films einen Werbeslogan ausdenken. In diesem Kontext mutet es sehr ironisch an, dass es kaum je einen Slogan gegeben hat, der einen Film besser beschrieben hat als jener für „Melancholia“. Der Film wird in der Werbekampagne schlicht vermarktet als „a beautiful movie about the end of the world“.
Der Satz bringt es auf den Punkt, denn „Melancholia“ ist vor allem schön, wunderschön, traumhaft, berauschend. Die stilisierten Bilder sind Lichtjahre entfernt von der ungefilterten Reinheit der Dogma-95-Bewegung, deren Mitbegründer Lars von Trier war. Dennoch erinnert der erste Teil des Film sehr stark an Thomas Vinterbergs Dogma-Film „Das Fest“. Nur dass wir uns jetzt anstatt der wackeligen Videokamera-Bilder an elegant komponierten Aufnahmen und an der Musik von Wagner ergötzen können. Kein Wunder dass der Regisseur selbst (!) sich beklagt hat, dass sein Werk zu schön geworden ist. Aber wie er in Interviews zugab, hat Lars von Trier aufgrund seiner eigenen Depression während der Dreharbeiten seinem Kameramann Manuel Alberto Claro weitgehend freie Hand gelassen.
Was man allerdings noch weniger erwarten konnte als das visuelle Fest von a) einem Lars von Trier-Film und b) einer zu erwartenden pessimistischen Arbeit über Depressionen und die Apokalypse: wie unterhaltsam „Melancholia“ auf seine eigene Art und Weise geworden ist! Das ist zugleich das Hauptproblem des Films, denn man kann ihn nicht wirklich ernst nehmen. Unter all der opulenten Pracht bleibt erstaunlich wenig Substanz übrig. Das bis in die Nebenrollen großartig besetzte Darstellerensemble mit Kirsten Dunst in ihrer bisher besten Rolle schafft es, dem Film eine gewisse Tiefe zu geben. Das bis in die Nebenrollen großartig besetzte Darstellerensemble mit Kirsten Dunst in ihrer bisher besten Rolle schafft es zwar, dem Film eine gewisse Tiefe zu geben, aber objektiv betrachtet bleibt "Melancholia" im Grunde lächerlich.
Doch Kino ist nun einmal nicht Mathematik: Es geht um Emotionen und nicht um Logik. „Melancholia“ mag ein weiteres Egoprojekt des enfant terribles des europäischen Kinos sein, doch auf alle Fälle ist der Streifen intensiv und wunderbar filmisch. Wie gemacht fürs Kino, weshalb man ihn auch unbedingt auf der großen Leinwand „genießen“ sollte...