Fischen - und da war noch was
NEU IM KINO / DAS LEBEN AN DER ANGEL
17/06/11 Muss das Leben alter Menschen eine Sackgasse sein, die vor einem Kneipentresen, einer Angel oder einer Kuchentheke endet? Pascal Rabaté sagt dazu eindeutig nein.
Von Michael Russ
Der pensionierte Landschaftsgärtner Emile (Daniel Prévost) ist seit sieben Jahren Witwer und genauso lange geht er mit Edmond (Phillipe Nahon) angeln. Durch Zufall erfährt er, dass Edmond nicht nur nach Fischen angelt, sondern auch nach Frauen. Emile ist gekränkt, weil Edmond das vor ihm geheim gehalten hat. Der versucht ihn zu versöhnen, indem er ihm ausführlich von seinen Liebesabenteuern erzählt.
Für Emile, dessen Frau nach langer schwerer Krankheit gestorben war, war eine neue Beziehung bisher kein Thema. Edmonds Erzählungen und vor allem dessen aus dem Playboy abgemalten Bilder nackter Frauen führen eine Umschwung herbei. Emile sieht plötzlich alle Frauen nackt vor sich. Als Edmond unerwartet stirbt, lernt Emile beim Begräbnis dessen Freundin Lucie (Bulle Ogier) kennen. Die Beiden kommen sich schnell näher. Beim ersten Besuch in Lucies Wohnung, als das erste sexuelle Erlebnis seit vielen Jahren nahe scheint, überfällt ihn die Panik und Emile flieht.
Am nächsten Tag schwingt sich Emile in sein Mopedauto, um eine mehrtägige Reise in das Dorf seiner Kindheit anzutreten. Diese Reise bringt einige Überraschungen und einen totalen Neubeginn.
Daniel Prévost überzeugt als Emile, die Wandlung vom perspektivenlosen Rentner zum Mann, der für alles Neue bereit ist, zeigt sich in Haltung und Mimik, die die persönliche Entwicklung genau nachzeichnen. Auch alle anderen kleinen und großen Rollen sind ausgezeichnet besetzt, egal ob alte Saufkumpane oder junge Neohippies.
Bisher hat Pascal Rabaté mit preisgekrönten Comicromanen von sich Reden gemacht. Einen davon hat er zur Grundlage für seinen ersten Spielfilm gemacht und zeigt damit, dass er überzeugend mit schwierigen Themen umgehen kann. „Das Leben an der Angel“ fußt auf dem Comicroman „Les petits ruisseaux“. Die Botschaft: Sexualität, neue Erfahrungen und Spaß muss es auch für alte Menschen geben. Ein Joint statt des Rotweins muss nicht sein, kann aber zu ganz neuen Perspektiven führen. Unpeinlich, einfühlsam und humorvoll setzt sich der Film mit Themen auseinander, die teilweise immer noch Tabus unterliegen. Das „Leben an der Angel“ ist Rabatés erster Spielfilm und hoffentlich nicht sein letzter.