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Leidenschaft und Energie

FILMKRITIK / LOVE LIES BLEEDING

06/08/24 Mit ihrem Spielfilmdebüt Saint Maud hat die britische Regisseurin Rose Glass 2019 einen von der Kritik hochgelobten Horrorfilm vorgelegt, der vor allem auf Psychologie und Minimalismus setzte und tief im Schauplatz einer wolkenverhangenen englischen Küstenstadt verwurzelt war.

Von Andreas Öttl

Mit ihrem neuen, von der hippen New Yorker Produktionsfirma A24 mit einem weit höheren Budget produzierten Film Love Lies Bleeding beweist sie nun souverän, dass sie auch mit einem anderen Instrumentarium und in einem gänzlich anderen Setting zu spielen vermag. Der Film steht in der Tradition des von Sex und Gewalt getränkten amerikanischen Pulp-Kinos der 80er und 90er, das lieber einmal etwas stärker auf die Tube drückt und große Gesten nicht scheut. Konkret bezieht sich Love Lies Bleeding auf lovers on the run-Filme wie Wild at Heart und vor allem Thelma & Louise, bei dem ebenfalls zwei Frauen im Mittelpunkt stehen.  Lou (Kristen Stewart) fristet ein eintöniges Dasein in einer Kleinstadt in New Mexiko. Bis die aufstrebende Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian) auftaucht – selbstsicher, ambitioniert und verdammt sexy. Hals über Kopf verlieben sich die beiden ineinander und träumen vom gemeinsamen Ausbruch. Doch sie haben die Rechnung ohne Lous zwielichtigen Vater (Ed Harris) gemacht, der über Leichen geht, um seinen Willen zu bekommen.

In Sachen Kompromisslosigkeit steht der Film den Vorbildern definitiv nicht nach. Love Lies Bleeding ist ein wilder, von Blut & Schweiß getränkter Neo Noir. Doch obwohl der durchstilisierte Film den Zuseher vom ersten Augenblick an mit einem artifiziell anmutenden Sternehimmel und pulsierender Synthie-Musik vor allem in eine Welt des Kinos entführt, entwickelt man trotzdem echtes Mitgefühl für die beiden Hauptfiguren. Es gelingt den beiden großartigen Hauptdarstellerinnen, auch ohne vieler Worte spürbar zu machen, mit welchen Unterdrückungen sie im ländlichen, konservativen Amerika der 80er Jahre zu leben haben und wie sich daraus der Drang nährt, diesem zu entfliehen. Die gemeinsamen Szenen der beiden bringen eine unbändige Leidenschaft und Energie auf die Leinwand, die sowohl im Arthouse- als auch im Mainstream-Kino leider selten geworden ist.

Der Film verdient sich damit auch seine überschwänglichen Gesten gegen Ende des Films, mit denen noch einmal die Kino-Raketen gezündet werden. Die Nebenfiguren mögen etwas klischeehaft geraten sein und nicht alle Szenen sind gleichermaßen gelungen, doch Love Lies Bleeding ist eben kein psychologisch nuancierter, “realistischer” Film, sondern einer, der den Genre-Konventionen folgt auch wenn er sie mitunter subvertiert. Dazu gehört es auch, den Zuseher immer wieder zu überraschen, vor allem aber ihn mit seiner hypnotischen Atomsphäre in seine Welt einzusaugen. Wenn vielleicht nicht jeder Zuseher von der Herangehensweise der Regisseurin gleichermaßen begeistert sein wird: Die universelle Wirkung des Films unabhängig von Geschlecht, Herkunft und sexueller Orientierung des Zusehers liefert einmal mehr einen Beweis für die Macht des Kinos und der Liebe.

Bilder: Filmladen

 

 

 

 

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