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Poesie hat Vorrang vor Politik

FILMKRIITK / EVIL DOES NOT EXIST

06/05/24 Zwei Altmeister des japanischen Kinos haben heuer bereits starke Werke abgeliefert: Hayao Miyazaki mit Der Junge und der Reiher und Hirokazu Koreeda mit Monster. Ryusuke Hamaguchi zählt mit 45 Jahren noch zur jüngeren Garde japanischer Filmemacher, gehört aber seit dem Oscar für Drive My Car aus 2021 zu den großen Namen des Weltkinos.

Von Andreas Öttl

Sein neuer Film Evil does not exist, der in Venedig mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, ist nun in ausgewählten heimischen Kinos zu sehen. Takumi (Hitoshi Omika) und seine Tochter Hana (Ryo Nishikawa) leben im Dorf Mizubiki in der Nähe von Tokio. Wie Generationen vor ihnen führen sie ein bescheidenes Leben im Einklang mit den Zyklen und der Ordnung der Natur. Eines Tages erfahren die Dorfbewohner von einem Plan eines Immobilien-Entwicklers, in der Nähe von Takumis Haus einen Glamping-Platz zu errichten. Die unausgewogenen Absichten der mit der Umsetzung beauftragten Agentur gefährden sowohl das ökologische Gleichgewicht der Naturregion als auch die Lebensweise der Dorfbewohner – mit Folgen, die Takumis Leben nachhaltig beeinflussen.

Aus dieser Geschichte macht Hamaguchi nur zum Teil den erwartbaren Film über die Folgen des Raubtier-Kapitalismus auf die Menschen und die Natur. Poesie hat bei ihm Vorrang gegenüber Politik und in Bezug auf die Charaktere ist er ein zu feinfühliger Beobachter seiner Mitmenschen, um in eine verallgemeinernde Schwarz-Weiß-Skizzierung zu verfallen. Die mit der Entwicklung der Ferien-Immobilie betrauten Personen sind weit entfernt davon, skrupellos zu sein und im Gegenzug haben auch manche Dorfbewohner ihre eigene Agenda. Die Haltung des Filmemachers wird dennoch vor allem auf der ästhetischen Ebene spürbar. Wenn er etwa einen Sonnenuntergang an einem winterlich verschneiten See einfängt, so macht er damit auf berührende Weise spürbar wie unschätzbar wertvoll eine intakte und von Menschen unberührte Natur ist. Ebenso effektiv setzt der Regisseur – ähnlich wie bereits in Drive my Car – Stille ein. So wunderschön die Filmmusik von Eiko Ishibashi auch ist, Ryusuke Hamaguchi weiß wann es Zeit ist, darauf zu verzichten und das Publikum lediglich mit Stille bzw. den Geräuschen der Natur zu konfrontieren.

Dementsprechend ist es auch sehr stimmig, dass die Natur und ihre Bewohner in der starken letzten Szene des Films eine bedeutende Rolle spielen. Diese verleiht dem bis dahin eher schlicht und realistisch erzählten Film eine mythische Komponente, welche dem Film eine geheimnisvolle Kraft gibt. Verglichen damit verblassen viele andere gesellschaftskritische Filme, die lediglich ihre politische Message hochhalten, aber die Sprache des Kinos nicht sprechen.

Evil does not exist verdient sich diesen Höhepunkt aber auch mit seiner präzisen und subtilen Schilderung der komplexen Beziehung zwischen und Mensch und Natur. Beglückend sind auch manch kleine Momente: Wenn es etwa dem in der Stadt lebenden PR-Agenten Takahashi (wunderbar verkörpert von Ryuji Kosaka) beim dritten Versuch gelingt, ein Stück Holz mit der Axt zu teilen, so ist dies ein befreiender Moment nicht nur für ihn, sondern auch für manchen Kinobesucher, der selbst den Bezug zu solchen Tätigkeiten längst verloren hat.

www.polyfilm.at
Bild: Polyfilm

 

 

 

 

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