Tristesse in Serie geschaltet
FILMKRITIK / ANIMAL
05/04/24 Mit dem Debütfilm Park über jugendliche Bewohner des verfallenden olympischen Dorfs von Athen hat die griechische Regisseurin Sofia Exarchou 2016 auf sich aufmerksam gemacht. Mit Animal konnte sie endlich ihren zweiten Spielfilm realisieren – unter anderem Dank des aus Salzburg stammenden Regisseurs und Produzenten Lukas Valenta Rinner.
Von Andreas Öttl
Auf Filmfestivals entstand die Idee von Exarchou und Rinner zu dieser Koproduktion zwischen Griechenland und Österreich. Auch in diesem Film gilt Sofia Exarchous Interesse Schauplätzen, die die internationalen Gäste gänzlich anders wahrnehmen als die Einheimischen: Es handelt sich um die (nicht nur) in Griechenland immer noch vorhandenen All-Inclusive-Ferienclubs.
Unter der glühenden Hitze eines griechischen Sommers bereiten sich Kalia (Dimitra Vlagkopoulou) und ihre Kollegen auf den Höhepunkt der Tourismussaison vor. Lange Nächte zwischen Bingo-Sessions, Bühnenperformances und berauschenden Clubnächten brechen Dynamiken auf, die Kalias Kampf im Spannungsfeld zwischen Rampenlicht und Schattendasein enthüllen.
Mit dokumentarisch anmutenden Szenen wirft der Film Sofia Exarchou einen bitteren, überwiegend pessimistischen Blick auf diese Art von kulturlosem Tourismus und auf die Ausbeutung und Perspektivlosigkeit von Menschen in der „Service“-Industrie. Nahe geht einem dies vor allem aufgrund der starken Hauptdarstellerin, die hinter der den Gästen gegenüber gezeigten Fassade eine für den Zuseher beinahe schmerzvolle Verletzlichkeit und innere Verzweiflung zum Ausdruck bringt.
Die anonym bleibenden Orte und die unterschiedliche Herkunft der im Film vorkommenden Touristen sorgen dafür, dass sich das Thema wirtschaftlicher Abhängigkeit breiter fassen lässt und nicht lediglich auf die Tourismusbranche in Griechenland beschränkt bleibt. In einer kleinen Nebenrolle ist Voodoo Jürgens zu sehen, dem es dabei gelingt, seiner Figur – einen im Urlaub Spaß suchenden Touristen aus Linz – sympathische und menschliche Züge zu verleihen.
Wirklich packend ist der Film Animal trotz gelungener Momente nicht. Der Film wirkt mitunter wie eine beliebige Aneinanderreihung von Szenen in sterilen Karaoke-Bars und Clubs, die gelegentlich durch triste Alltagssequenzen unterbrochen werden. Dies mag nah an der Realität sein, fühlt sich aber dennoch nicht unbedingt wahrhaftiger an als vergleichbare Filme, die thematisch spezifischer ausgerichtet sind und mehr mit den Mitteln filmischer Überhöhung arbeiten. Es fehlen eine gewisse dramaturgische Struktur und starke Emotionen wie sie etwa unlängst How to have Sex – Molly Manning Walkers energiegeladener Film über den Cluburlaub englischer Jugendlicher – zu bieten hatte.
Denkt man hingegen an einen Film wie Ulrich Seidls Rimini mit seinen präzise ausgewählten und kunstvoll komponierten Tableaus und seiner beinahe mythisch stilisierten Hauptfigur kann man Sofia Exarchou mit ihren ungeschönten Bildern und der realistisch gezeichneten Protagonistin freilich einen ethischeren und mehr an Ehrlichkeit interessierten Zugang zum Filmemachen zugutehalten. Letztendlich sind beide Zugänge legitim und es reduziert sich wieder einmal alles auf die Frage, welche Ansprüche und Erwartungen man als Zuseher ans Kino als Kunstform sowie als Mittel zur Aufarbeitung gesellschaftlich relevanter Themen hat.
Bilder: Filmgarten