Immer noch einer der ganz Großen
FILMKRITIK / PERFECT DAYS
17/01/24 Was macht ein gelungenes Leben aus? Was macht uns glücklich und zufrieden? Dass man das Glück trotz widriger Umstände auch in den kleinen Dingen und alltäglichen Freuden des Lebens finden kann, zeigt hingegen Wim Wenders in seinem wunderbaren neuen Film Perfect Days.
Von Andreas Öttl
Wenders schildert den Alltag des Toilettenreinigers Hirayama und sein einfaches Leben in der Millionenstadt Tokio. Außerhalb seines strukturierten Alltags, in dem er sorgfältig und pflichtbewusst seinen Dienst verrichtet, genießt er seine Leidenschaft für Musik und Bücher. Und er liebt Bäume und fotografiert sie. Eine Reihe von unerwarteten Begegnungen enthüllt nach und nach mehr von seiner Vergangenheit.
Filme über Menschen mit solch „niederen“ Jobs und ohne erkennbares Ziel im Leben sind einerseits ohnehin selten im Kino und tendieren nicht selten dazu, die Situation dieser Menschen als trist und hoffnungslos darzustellen.
Umso erfrischender ist der Blick von Wim Wenders auf das Leben eines Mannes, dessen Tätigkeit zwar essenziell ist für das Funktionieren einer Großstadt, die von den meisten Menschen aber oft nicht wahrgenommen und mitunter verachtet wird. Dass man als Zuseher ein so starkes Mitgefühl für den Protagonisten entwickelt, ist vor allem dem großartigen Hauptdarsteller Koji Yakusho zu verdanken, der dafür auch in Cannes mit dem Preis für den besten Schauspieler gewürdigt wurde.
Der Film ist unaufdringlich und puristisch, in manchen Momenten aber auch schamlos sentimental. Neben der starken Kameraarbeit, welche die Schönheit im Alltäglichen findet, sind vor allem die Musiksequenzen hervorzuheben. Jedes Mal, wenn Hirayama eine seiner alten Kassetten abspielt, hebt der Film emotional ab und die vom Protagonisten oft unterdrückten Gefühle werden spürbar. Besonders die titelgebende Montage zu Lou Reeds Perfect Day sorgt nun hoffentlich endlich dafür, dass man den Song in filmischer Hinsicht nicht mehr ausschließlich mit der berüchtigten Szene in Trainspotting (UK 1996) verbindet.
Wim Wenders, der schon 1985 mit seinem von Yasujiro Ozu inspirierten Tokyo-Ga ein faszinierendes Tokio-Portrait abgeliefert hat, zeigt mit Perfect Days einmal mehr seine Sensibilität im Umgang mit fremden Kulturen. Der Film zeigt originelle Schauplätze und mitunter skurrile Seiten von Tokio, die man noch selten im Kino gesehen hat. Nachdem seine letzten Spielfilme wie Every Thing Will Be Fine und Die schönen Tage von Aranjuez übel verrissen wurden, beweist Wim Wenders mit diesem seinen jüngsten Film, dass er immer noch zu den Großen des Weltkinos zu zählen ist.
Derzeit im Filmkulturzentrum "Das Kino" - www.daskino.at
Bilder: Polyfilm