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Bis zur Auflösung...

FILMKRITIK / CLUB ZERO

15/12/23 Mit ihrem zweiten englischsprachigen Film in Folge nach Little Joe (2019) widmet sich Jessica Hausner in ihrer neuen Arbeit Club Zero dem Thema Ernährung, konkret Essstörungen unter (wohlstands-verwahrlosten) Jugendlichen.

Von Andreas Öttl

Miss Novak (Mia Wasikowska) beginnt an einer internationalen Privatschule in England zu unterrichten, wo sie mit ihrem Unterricht die Essgewohnheiten der Schülerinnen und Schüler grundlegend verändert. Unter dem Vorwand, ihnen bewusste Ernährung („conscious eating“) näher zu bringen, regt sie an, das Essen immer weiter zu reduzieren bis hin zum ultimativen Ziel, komplett darauf zu verzichten und damit Teil des geheimnisvollen „Club Zero“ zu werden.

Der Regisseurin, die an herkömmlicher Dramaturgie und dem Erzählen von Geschichten noch nie besonders interessiert war, nützt diese Prämisse aber primär für eine Milieubeschreibung und zeichnet ein gleichermaßen verfremdetes wie wiedererkennbares Bild der modernen, bisweilen absurden Welt, in der wir leben. Speziell im Fokus ist dabei jene gehobene, progressive Gesellschaftsschicht, welche die gesellschaftlichen Trends vorgibt.

Es ist eine Welt aus schmucken Designerhäusern und smarten Elektroautos, getrieben vom Ideal einer konstanten Selbst- und Weltoptimierung – aber auch eine von emotionaler Sterilität und einer vom Klimawandel bedrohten Zukunft. In diese werden die nach außen coolen, aber innerlich unsicheren jungen Menschen hineingeboren (bis auf einen Schüler, der nur wegen eines Stipendiums auf die elitäre Schule gehen kann) und es ist daher nicht überraschend – so suggeriert es der Film – dass diese sehr empfänglich sind für äußere Einflüsse und Extremismus.

Im Gegensatz zu den Filmen von Michael Haneke, der etwa in seiner Trilogie der emotionalen Vergletscherung ähnliche Milieus seziert hat, wirkt dies bei (seiner Filmakademie-Schülerin) Jessica Hausner weniger verstörend, da sich die Abgründe hinter einer knallbunten, visuell reizvollen Oberfläche verbergen. Schon in ihren bisherigen Arbeiten war Jessica Hausner, die aus einer Maler-Familie stammt, für eine starke Bildsprache bekannt.

In ihrem neuen Film treibt sie extreme Stilisierung auf eine Weise an die Spitze, die manche Zuseher befremden wird. Alles von den Locations bis zu den farbenfrohen Dekors und Kostümen ist bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt und wird vom klinisch-klaren Auge von Martin Gschlachts Kamera in ungewöhnlichen Perspektiven in Szene gesetzt. Die Percussion-Musik von Jessica Hausners Ehemann Markus Binder (von der neuen Volksmusik Gruppe Attwenger) sorgt dabei immer wieder für Irritationen, hätte jedoch möglicherweise etwas sparsamer eingesetzt werden können, da die durch die Bilder und den Schnitt erzeugte Atmosphäre bereits stark genug ist. Die aus verschiedenen Nationen zusammengewürfelten Darsteller sind zwar allesamt (vor allem jene der Schülerinnen und Schüler) sehr überzeugend, doch auch diese fügen sich in die künstliche Parallelwelt des Films ein, weshalb man nicht wirklich das Gefühl hat, den Charakteren nahe zu kommen.

Diese von manchen Kritikern in Cannes angeprangerte Künstlichkeit und Distanziertheit des Films ist aber ein absolut legitimes Stilmittel und ändert nichts daran, dass der Film den Zeitgeist authentischer einfängt als viele realistisch inszenierten Filme. Dass die Satire nicht tief genug geht und an der glatten Oberfläche bleibt, ist ebenfalls ein Einwand, der nicht schlüssig ist. Denn Jessica Hausner kennt ganz offensichtlich die Welt, die sie hier portraitiert – und nicht nur manche aberwitzigen Food-Trends legen den Verdacht nahe, dass diese so aus den Fugen geraten ist, dass eine satirische Betrachtung eigentlich obsolet geworden ist.

Club Zero – Vorführungen im Filmkulturzentrum Das Kino am Freitag (18.12.) sowie am 10. Jänner 2024 – www.daskino.at
Bilder: Filmladen / www.filmladen.at

 

 

 

 

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