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Eine Meditation über die Gier

FILMKRITIK / KILLERS OF THE FLOWER MOON

10/11/23 Der mittlerweile achtzigjährige Martin Scorsese ist einer der wenigen aus der Riege der legendären „New Hollywood“ Generation, der noch regelmäßig Filme dreht. Killers of the Flower Moon ist ein weiteres Alterswerk eines Meisters, der niemanden mehr etwas beweisen muss.

Von Andreas Öttl

Dass sich die Filmwelt seit den Siebziger-Jahren gewandelt hat, zeigt sich unter anderem darin, dass es mittlerweile die – nicht unbedingt als Retter des Kinos betrachteten – Streaming-Dienste sind welche bereit sind, Risiken einzugehen und seine zunehmend ambitionierten Projekte zu stemmen. Nachdem 2019 Netflix sein lange geplantes Gangsterepos The Irishman finanziert hat, ist nach einigen Corona-bedingten Verzögerungen Apple eingesprungen, um (gemeinsam mit Paramount) das auf zweihundert Millionen Dollar angewachsene Budget seines neuen Films Killers of the Flower Moon mitzutragen.

Der Film erzählt vom Volk der Osages, denen das Erdöl zu Beginn des 20. Jahrhunderts großen Reichtum einbrachte. Der Wohlstand dieser Ureinwohner Amerikas zog bald weiße Eindringlinge an, welche die Osages manipulierten, erpressten und ihnen Geld stahlen – bevor sie schließlich sogar zum Mord übergingen. Mit so einer Mordserie setzt die Filmhandlung ein.

Erzählt wird in weiterer Folge die – wie sich bald herausstellt – vom Rancher William Hale (Robert De Niro) eingefädelte Heirat seines Neffens Ernest (Leonardo DiCaprio) mit der Osage Mollie (Lily Gladstone).

Nicht nur aufgrund seiner Laufzeit von 206 Minuten ist der Film eine Anomalie in den Kinosälen, in denen man zum Glück den Film auch noch erleben kann (Apple ist hier weniger restriktiv als Netflix oder Amazon). Auch der intime Blickwinkel, die ruhige Erzählweise und der weitgehende Verzicht auf oberflächliches Spektakel lassen den Film im heutigen Mainstream-Kino wie einen vom Aussterben bedrohten Dinosaurier wirken.

Auch in Bezug auf andere Scorsese-Werke ist der Film sehr bedächtig und beinahe konventionell inszeniert. Manche Fans mögen dabei die rasanten Schnitte und den Rock ‘n Roll Spirit von früheren Arbeiten vermissen, übersehen dabei jedoch, dass Scorsese auch in der Vergangenheit immer wieder eine kontemplative Seite gezeigt hat.

In diesem Fall war es wohl die Vorlage (ein Sachbuch von Eric Roth) und dessen Inhalt, welche dazu geführt haben, dass Scorsese sich als Regisseur mehr als sonst zurückgenommen hat. Dieser Respekt vor den Ureinwohnern (die im Film etwa auch ihre eigene Sprache sprechen dürfen) zieht sich durch den ganzen Film. Und wenn der Regisseur im Epilog einen überraschenden persönlichen Auftritt hat mit dem er auch seinen eigenen (weißen) Blickwinkel thematisiert, so geht damit eine aufrichtige (Selbst-)Kritik am Erzählen von Geschichte(n) einher.

Killers of the Flower Moon ist sehr stark auf die drei Hauptcharaktere fokussiert, weshalb den Darstellern eine besondere Bedeutung zukommt. Viel mehr als Scorseses Stamm-Schauspieler De Niro und DiCaprio, welche gelegentlich etwas klischeehaft agieren, glänzt dabei Lily Gladstone, durch die das gesamte Unrecht gegenüber den Native Americans ein menschliches Gesicht bekommt. Im Film schwingt die gesamte Kollektivschuld der amerikanischen Nation mit, was das Kinoerlebnis zu einer bedrückenden Erfahrung macht.

Spannungsmomente und emotionale Höhepunkte gibt es hingegen nicht allzu viele, weshalb der etwas zu lange geratene Film vom Zuseher viel Geduld und Sitzfleisch verlangt. Selten hat man in diesem epischen, mit Stars besetzten Western (der noch dazu eine Liebesgeschichte im Fokus hat) das Gefühl, großes „Kino“ in Hollywood-Tradition zu erleben. Das ist freilich gut und stimmig. Denn ein mythisch überhöhter Zugang mit den manipulativen Mitteln des Unterhaltungskinos wäre für diese Thema der falsche Weg gewesen. Killers of the Flower Moon ist vielmehr eine melancholische Meditation über Gier und konkret über die Ausbeutung eines Volkes, welches bisher viel zu selten im Kino repräsentiert wurde. Kein leicht vermarktbarer „Event-Film“ und kein „Content“ der Apple hohe Zugriffszahlen auf seiner Streaming-Plattform bescheren wird. Killers of the Flower Moon ist vielmehr ein weiteres reifes Alterswerk eines Meisters, der niemanden mehr etwas beweisen muss

Bilder: www.killersoftheflowermoonmovie.com

 

 

 

 

 

 

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