Ein Oligarch als Häuslbauer
KINO / TAGESPOLITIK / KAVIAR
21/05/19 Wie, so fragt man sich nach dem vergangenen Wochenende, fädeln eigentlich russische Oligarchen ihre Geschäfte ein? Johann Gudenus – wahrlich kein Anfänger im Russen-Milieu – ist vor zwei Jahren in der Villa auf Ibiza anscheinend nichts verdächtig vorgekommen. Aber da war ja der Film Kaviar von Elena Tikhonova noch nicht fertig...
Von Reinhard Kriechbaum
Igor ist so einer, für den Geld und westliche Gesetze keine Rolle spielen. Der rollende Rubel macht's möglich. Igors aktuelle Idee hat was. Bei einem Essen hat er aus dem Fenster auf den Donaukanal geblickt, und da ist ihm die Schwedenbrücke ins Auge gestochen. Sie erscheint ihm als idealer Platz für ein Privathäuschen, eine Innenstadt-Datscha. Da braucht's aber ziemlich gute Kontakte zu Bezirksräten und höherem politischen Gelichter...
Elena Tikhonova, Regisseurin der überdrehten Komödie Kaviar, hat ein Sensorium für die Reibeflächen zwischen doch sehr unterschiedlichen Lebens- und Gaunerwelten. Als kulturelle Grenzgängerin hat sie vermutlich einen geschärfteren und lebensnäheren Blick als jemand, der nur Stereotypen wahrnimmt. Die 1977 geborene Filmemacherin hat ungefähr eine Lebenshälfte in der sowjetischen Wissenschaftsstadt Obninsk verbracht. Seit der Jahrtausendwende lebt sie in Wien. Kann gut sein, dass die Zuseher beim Max Ophüls Preis 2018 deshalb für Kaviar als Publikumssieger votierten, weil aus dieser überdrehten Culture-Clash-Komödie so etwas wie Intimkenntnis des Milieus spricht.
Kaviar sei „der Film gewordene Beweis für den gravierenden Unterschied, ob Russen-Klischees über Russen oder von Russen erzählt werden“, heißt es in einem Werbetext, und das scheint nicht übertrieben. All diese Absurditäten kann man doch nicht erfinden! Vor einnehmender Wiener Kulisse (eh klar, reiche Russen leben und feiern am Roof Top) erzählt Elena Tikhonova von Geldkofferübergaben beim Brunch. Wechsel über drei Millionen Euro werden auf einer Serviette notiert und unterschrieben. Man verhökert Staatsbürgerschaften gegen fragwürdige „Wirtschaftsförderung“. Geldwäsche-Geschäfte werden im Whirlpool oder im Puff ausgehandelt.
So haarsträubend und bizarr das daher kommt: Es wirkt erstaunlicherweise glaubwürdig. Sympathisch ist die Story auch deshalb, weil nicht bloß ein großkopferter Oligarch und ziemlich klein übersetzte Wiener Gauner, jeweils aus ihrer etwas weltfremden Perspektive heraus, mit- und gegeneinander mauscheln. Denn die eigentliche Drahtzieherin ist Nadja (Margarita Breitkreiz). Als Dolmetscherin des neureichen Igor, vertraut mit seinen Spleens und Liebschaften, hat auch sie durchaus Interesse an dem Koffer mit Geldscheinen. Mit zwei weiteren Frauen durchkreuzt sie beständig Igors Pläne. Und die beiden Wiener Ganoven müssen erfahren, dass mit Russen nicht zu spaßen ist. Schon in der ersten Szene werden wir Zeugen einer interessanten Wildjagd vom Hochsitz aus. Was hat es mit dem überdimensionalen Lenin-Kopf auf sich, den das Opfer übergestülpt bekommen hat?
Kaviar hat bei der Diagonale in Graz seine Österreichische Erstaufführung erlebt, Kinostart ist leider erst am 13. Juni. Beides viel zu spät für Strache und Gudenus...