Das doppelte Nannerl
HINTERGRUND / FILM
20/11/24 Sie erzähle in ihrem Film Mozart's Sister „die Geschichte eines Wunderkinds, dessen Potenzial nicht genutzt wurde“, sagt die australische Filmregisseurin und Produzentin Madeleine Hetherton-Miau. Die gut anderthalbstündige Spieldokumentation erlebt morgen Donnerstag (21.11.) im Mozartkino ihre Österreich-Premiere. – Eine weitere Nannerl-Filmproduktion, die Fernsehserie Mozart/Mozart, wird nächstes Jahr entstehen.
Von Reinhard Kriechbaum
Der an Originalschauplätzen in Salzburg gedrehte, englischsprachige Film Mozart's Sister wurde unter anderem von der Publikation Maria Anna Mozart. Facetten einer Künstlerin inspiriert. Die Herausgeberin dieses wissenschaftlichen Buchs, Eva Neumayr, leitet auch die Maria-Anna-Mozart Gesellschaft Salzburg, auf deren Initiative hin nun die Österreich-Premiere stattfindet.
In den ersten sechzehn Jahren ihres Lebens war „Nannerl“ Mozart ihrem Bruder gleichgestellt. Das kongeniale Geschwisterpaar Wolfgang Amadeus und Maria-Anna Mozart musizierte gemeinsam an sämtlichen Königshäusern und sorgte für Aufsehen und Gesprächsstoff in ganz Europa. Doch plötzlich verstummt Maria Annas Geschichte. Sie musste sich aus dem öffentlichen Musikleben zurückzuziehen, weil sie eine Frau war. In dem Film Mozart's Sister wird versucht zu zeigen, warum sie das tat und wie sie dann doch als Klavierlehrerin musikalisch aktiv war.
Die Filmemacherin ist beeindruckt von der engen und kreativen Beziehung der Geschwister Mozart. „Ihre Briefe, die sie sich schickten, wenn sie getrennt waren, sind ein kontinuierlicher musikalischer Dialog, in dem sie Noten vergleichen, sich gegenseitig Partituren schicken und sogar gemeinsam Kompositionsteile bearbeiteten. Ich finde es faszinierend, dass Wolfgang seine Schwester immer leidenschaftlich unterstützte, sie lobte und Musik schrieb, die ihre virtuosen Fertigkeiten am Klavier unter Beweis stellte. Es scheint, dass er in der Lage war, über die gesellschaftlichen Konventionen der Zeit hinauszugehen und sie als Künstlerin zu erkennen.“
Madeleine Hetherton-Miau verweist aber auch darauf, dass Musik von Frauen nach wie vor enorm unterrepräsentiert ist. „2022 hatten die 110 weltweit führenden Orchester nur acht Prozent Musik von Frauen in ihren Programmen. Im Fernsehen und im Kino, dem Medium dieser Geschichte, sind nur sechs Prozent der Sendungen zur Hauptsendezeit mit der Musik einer Komponistin unterlegt, und im Kino sind die Zahlen noch schlechter.“
Doch es sei eine kritische Debatte über Frauen in der Kunst und in unserer Gesellschaft im Allgemeinen im Gange, zu der auch ihr Film Mozart‘s Sisterrechne: „Die Gesellschaft und die (fast ausschließlich männlichen) Historiker waren die Torwächter zu Aufzeichnungen und Anerkennung. Frauen wurden im Laufe der Zeit sehr marginalisiert, auch in der Mittel- und Oberschicht, wie die Schicksale von Clara Schumann und Fanny Mendelssohn zeigen, die im Schatten ihrer berühmteren Ehemänner und Brüder standen. Nun ist ein Wieder-Erzählen ihrer Geschichte von Frauen im Gange – einschließlich Maria Anna Mozarts Teil an der Geschichte.“
Wie zur Bestätigung kam kürzlich die Meldung, dass im Frühjahr 2025 im Baltikum die Dreharbeiten für eine neue sechsteilige ARD/ORF-Premium-Serie Mozart/Mozart beginne. Wieder Nannerl und ihr Schicksal also.
„In Mozart/Mozart nähern wir uns dem bedeutendsten Namen der Musikgeschichte von einer jungen und weiblichen Seite an“, sagt dazu ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz. „Mit der neuen Serie entsteht ein modern erzähltes, rasantes und humorvolles Highlight – durch das wir auch einem Streaming-affinen Publikum auf ORF ON diese Jahrtausendfamilie näherbringen.“
Kann gut sein, dass Musikhistoriker die Nase rümpfen, wenn sie den Inhalt der Serie lesen. So beschreibt der ORF, was da kommt: „In Mozart/Mozart bekommt Maria Anna Mozart endlich die Bühne, die sie verdient. Stets steht sie im Schatten ihres Bruders Wolfgang Amadeus. Er ist der Superstar. Sie ist 'nur' seine Schwester, obwohl sie genauso talentiert ist. Als Amadeus jedoch abstürzt und nicht mehr auftreten kann, steht plötzlich die gesamte finanzielle Zukunft der 'Firma Mozart' auf dem Spiel – und mit ihr Maria Annas persönliche Freiheit. Um Amadeus’ Karriere und sich selbst zu retten, schlüpft Maria Anna notgedrungen in die Rolle ihres Bruders. Schon bald findet sie sich in einem Netz aus royalen Intrigen wieder, in deren Mittelpunkt ausgerechnet der Mann steht, der sich Hals über Kopf in sie verliebt: Antonio Salieri.“
Filmpremiere „Mozart's Sister“ am Donnerstag (21.11.) um 18.15 Uhr im Mozartkino Salzburg – www.mozartkino.at; www.maria-anna-mozart.at
Bilder: Media Stockade (2); Wikimedia (1)