Dämonie in freiem Lauf
HINTERGRUND / STEFAN ZWEIG / DAS KINO
29/07/10 Stefan Zweigs Novellen haben Filmemacher immer angesprochen. "Das Kino" zeigt in Zusammenarbeit mit den Festspielen und dem Stefan Zweig Centre eine Reihe prominenter Verfilmungen.
Zweig auf der Bühne? Das war gelegentlich - zuletzt in einer Veranstaltungsreihe im Stefan Zweig Centre - Thema von Literatur- und Theaterwissenschaftern. Mehr Anziehungskraft haben, auch was die visuelle Umsetzung anlangt, ganz offenkundig die Novellen. In einem Pressegespräch unlängst sagt der Leiter des Schauspiels bei den Festspielen, Thomas Oberender, dass die Novellen wegen der differenzierten Personenbeschreibungen eben attraktiver seien als die Figuren in den "echten" Bühnenstücken von Stefan Zweig. "Es mag an Zweigs ihm tief innewohnender Neigung zur Konzilianz, zur Eleganz, an seinem intellektuellen Pazifismus oder schlicht am Drang zum Erfolg liegen, dass seine Theaterstücke sich meist in der Geste einer Ermahnung zum Positiven auflösen. Sie wirken auf uns heute unweigerlich ein wenig zu liebenswürdig, da sich der Dramatiker dem inneren Humanisten unterwarf", erklärt Oberender. "In seinen Novellen aber ließ Stefan Zweig der Dämonie in seinem Schreiben erschreckend freien Lauf."
Deshalb hat Thomas Oberender sich für eine Dramatisierung von "Angst" entschieden. Filmemacher sehen das wohl ähnlich, kaum einer hat mal ein Bühnenstück auf Zelluloid verewigt. "Angst", dramatisiert von Koen Tachelet und in Jossi Wielers Regie bis 6. August im Landestheater zu sehen, hat hingegen prominente Filmemacher angesprochen. Etwa den Italiener Roberto Rosselini. Er führt uns in seinem 1954 entstandenen Film mit Ingrid Bergman eine erfolgreiche und selbstsichere Geschäftsfrau vor, die die eigentliche Leiterin der Pharmafirma ist. Ganz im Gegenteil zu Zweigs ausführlichem Psychogramm betreibt Rossellini nur am Rande eine Innenschau in die Gefühlswelten Irenes. Er zeigt das, was man auch sehen kann und taucht alles in ein Licht der wissenschaftlichen Erkenntnis.
Ein völlig anderer Ton herrscht in der jüngeren Verfilmung (1992) des französischen Regisseurs Daniel Vigne vor: Hier spielt die Angst die geheime Hauptrolle. Vignes Film sucht die Stimmung in Wien kurz vor dem Anschluss einzufangen, er zeigt die Stadt ebenso düster, entleert und ausweglos wie seine Protagonistin Irene Wagner, die kein Entkommen aus ihrer Schuld findet.
Beide Filme sind mehrmals in der Reihe "Die Liebe ein Abgrund - Stefan Zweigs Novellen im Film" von 1. bis 13. August im Salzburger Filmkulturzentrum "Das Kino" zu sehen. Über zwanzig Werke von Stefan Zweig wurden verfilmt, von namhaften Regisseuren wie Max Ophüls ("Brief einer Unbekannten", USA 1948). "Das überrascht nicht, denn viele seiner geschichten sind so bildhaft geschrieben, als wären sie fürs Kino gedacht", sagt Renate Wurm vom "Kino". "Er verstand es meisterlich, die verborgenen Leidenschaften seiner Figuren, ihre Schattseiten sowie ihre psychologischen Motive subtil und spannungsreich zu erzählen."
1988 drehte Andrew Birkin den Streifen "Brennendes Geheimnis" mit Klaus Maria Brandauer an der Seite von Faye Dunaway. Curt Jürgens, Hansjörg Felmy und Mario Adorf waren Darsteller in Gerd Oswalds Verfilmung der "Schachnovelle" (1960).
Zum Auftakt am 1. August ist Stefan Zweig selbst das Thema: Seinen letzten zehn Lebensjahren haben Wilma Kiener und Dieter Matzka im 1993 gedrehten Film "Drei Leben - Friderike, Lotte & Stefan Zweig" ausgeleuchtet. Die beiden Regisseure sind am 13. August im "Kino" auch zu einem Gespräch zu Gast. (dpk)