Seelenverwandschaft ohne viele Worte
IM PORTRÄT / MATTHIAS MULITZER
05/03/14 Es ist schon außergewöhnlich, wenn ein Architekturstudent als Diplomarbeit ein Kloster entwirft – und dann ein Vierteljahrhundert lang damit beschäftigt ist, dieses „sein“ Kloster auch wirklich zu bauen. So ist es Matthias Mulitzer ergangen.
Von Reinhard Kriechbaum
„Ich wollte immer Generalist sein“, sagt der 1960 in Goldegg geborene Matthias Mulitzer. Sprich: das jeweilige Objekt von der Planung bis zur Fertigstellung betreuen. Auf der Kinderalm bei St. Veit im Pongau, auf 1300 Metern Seehöhe, hat Mulitzer das umgesetzt – sein ganzes bisheriges Architektenleben lang. In seiner Studienzeit (bei Gustav Peichl in Wien) hatte er 1985 die Notiz in einer Lokalzeitung aufgeschnappt, dass sich dort ein Frauenorden niederlasse. Da kam dem jungen Mann die Idee, einen solchen Klosterentwurf doch zum Diplomarbeitsthema zu machen. Man kann sich die erstaunten Blicke seines Lehrers vorstellen.
Diese Diplomarbeit hat der frisch promovierte Baukünstler schließlich auch den „Schwestern von Bethlehem“ gezeigt, die damals eben einige Almhütten auf der Kinderalm bezogen hatten. Was Mulitzer zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte: Mit dem ursprünglich ausersehenen Architekten waren die schweigsamen Klosterfrauen damals gerade übers Kreuz gekommen – da kam der junge Mann, der für seine Diplomarbeit schon vor Ort recherchiert hatte, also gerade recht. So, wie er sich ein solches Almkloster vorstellte, hätten sich die Nonnen ihre neue Niederlassung gerade gewünscht. Und so fand Mulitzer sich plötzlich in der realen Umsetzung wieder. Eine Seelenverwandtschaft ohne viele Worte wohl – denn die Schwestern von Bethlehem sind sehr zurückgezogene Wesen, die ihr Herz nicht auf der Zunge tragen.
Über die Jahrzehnte ist immer noch etwas dazu gekommen auf dem steilen Areal: eine Kirche mit malerischem Teich, eine Art Kreuzgang, von dem aus die Einzelhäuschen für die Einsiedlerinnen (es ist ein streng kontemplativer Orden) zugängig sind. Stück um Stück ist eine eigenwillige Klosterlandschaft aus Holz entstanden, ein wenig fremdartig auf den ersten und wohl auch auf den zweiten Blick – so exotisch wie diese aus innerer Ideologie heraus schweigende Ordensgemeinschaft, die ihre Ursprünge in Frankreich hat.
Die Faszination Einsiedlerorden hat Matthias Mulitzer nicht mehr losgelassen. Im Zuge seiner einschlägigen Architektur-Recherchen ist er in Kontakt mit einem ebenso verschlossenen Männerorden gekommen, den Kamaldulensern. Auch die fassten Vertrauen zu ihm und gaben ein Kloster in Auftrag: im Wortsinn am anderen Ende der Welt, in Venezuela, nahe am Äquator. Das ist noch entschieden einschichtiger als die Kinderalm! Dort, so erzählt Matthias Mulitzer, gab es ganz andere Herausforderungen als in der Heimat. War es auf der Kinderalm eher ein Spießrutenlauf um Baugenehmigungen und dergleichen, so ging es in Venezuela darum, dass lokale Kräfte, nicht zuletzt die Mönche selbst, mit ortsüblichem Material weitgehend selbsttätig bauen konnten. Mulitzer entwarf das Kloster – und reiste dann ungefähr ein Mal pro Jahr in die Neue Welt, um vor Ort den Baufortschritt zu überwachen und zu lenken.