Vertrauen auf den spirituellen Höhenflug im Konzert
TODESFALL / CLAUDIO ABBADO
20/01/14 In Salzburg hat man ihn 2012 zuletzt als Dirigent erleben dürfen: mit Mozarts Waisenhausmesse und einer Schubert-Messe bei der Ouverture spirituelle. Da spielte das Orchestra Mozart Bologna, eine von vielen Orchestergründungen Abbados. Heute Montag (20.1.) ist Abbado im Alter von achtzig Jahren in Bologna gestorben.
Lang ist die Liste der Festspielverpflichtungen Abbados: 101 Auftritte, waren es, davon 27 in der Oper. Seine letzte Oper bei den Festspielen im Sommer dirigierte er 1997, einen von Peter Stein inszenierten „Wozzeck“. Mit Gustav Mahlers Zweiter hatte er sich hier eingeführt, am Pult der Wiener Philharmoniker. Das war 1965 – da erregte man mit Mahler durchaus noch Aufmerksamkeit. Sein Operndebut in Salzburg gab Abbado 1968 mit dem „Barbier von Sevilla“. 1989 „Elektra“, 1992 „Aus einem Totenhaus“, 1994 „Boris Godunow“, 1997 „Wozzeck“: Das waren zum Teil Übernahmen von den Osterfestspielen.
Von 1994 bis 2002 war Claudio Abbado künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele, nachdem er bereits 1989, nach dem Tod Karajans, dessen Nachfolge als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker angetreten hatte. Das blieb er ebenfalls bis 2002.
Claudio Abbado wurde 1933 in Mailand in eine Musikerfamilie hineingeboren. Er studierte zunächst am Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand Orchesterleitung, Klavier und Komposition und wechselte dann zu Hans Swarowsky an die Wiener Musikakademie, wo er neben Zubin Mehta als wichtigster Schüler des großen Wiener „Dirigentenmachers“ galt. 1958 gewann Abbado den Kussewitzky-Preis in Tanglewood.
Ab 1971 war Claudio Abbado Musikdirektor, ab 1977 künstlerischer Leiter der Scala (bis 1986). 1984 gab Abbado sein Debüt an der Wiener Staatsoper, 1986 fiel die Wahl auf ihn als Musikdirektor und 1987 wurde er Generalmusikdirektor der Stadt Wien. Im Jahr drauf gründete Abbado, der in Mailand auch Komposition studiert hatte, das Festival Wien Modern. Abbado war ja im Gegensatz zu manch anderem Maestro seiner Generation einer, der sich mit viel Neugier und Engagement auch auf die zeitgenössische Musik einließ. Zweimal (1988, 1991) stand Abbado beim Neujahrskonzert am Pult.
„Claudio Abbados ausgeprägtes Verständnis für das kammermusikalische Musizieren, für die Liebe zum Ensemble stand dabei klar im Vordergrund“, schreibt Michael Haefliger, Intendant des Lucerne Festival, in einem Nachruf. „Ein Orchester war und ist kein großes Gebilde oder gar eine musikalische Masse, sondern ein Kollektiv von kleineren und größeren Ensembles, die sich in ihrer hohen Differenziertheit unter der Führung eines 'Primus inter pares' zusammenfinden und einen gemeinsamen musikalischen Weg gehen. Daran glaubte Claudio Abbado mehr als an alles andere“, so Haefliger weiter. „Er war kein Mann der großen Worte, kein Freund langer Probendiskurse, vielmehr gestaltete sich der künstlerische Prozess unter seiner Leitung durch das stille Hören auf- und miteinander und auf das Vertrauen, im Konzert alleine den ultimativen Höhepunkt der künstlerischen Interpretation zu finden.“
Orchestrale Pionierarbeit reizte Abbado immer wieder, sowohl mit der Jugend als auch auf anderer Ebene. Schon als Gründer des European Community Youth Orchestra (1978) und später des Gustav Mahler Jugendorchesters (1986) widmete er sich der Förderung des musikalischen Nachwuchses. Daraus entstanden die Gründung des Chamber Orchestra of Europe (1981) sowie die Gründung des Mahler Chamber Orchestra (1997), die wiederum die Basis für die Gründung des Lucerne Festival Orchestra (2003) und des Orchestra Mozart in Bologna in den Jahren 2003 / 2004 bildeten.
Eine Zeit lang stand Abbado dem London Symphony Orchestra vor, beim Chicago Symphony Orchestra war er Erster Gastdirigent. Dass man ihn auch „Generalmusikdirektor Europas“ nannte, fußte natürlich auf seinem internationalen Engagement. Als Swarowsky-Schüler hatte sich Abbado freilich vor allem auch den Sinn für den regional unterschiedlichen Orchesterklang bewahrt: Vor allem im Gustav Mahler Jugendorchester war ihm das Einbeziehen von jungen Musikerinnen und Musikern aus den ehemaligen österreichischen Kronländern ein Anliegen. Das war nicht zum Nachteil dieses Klangkörpers, der gleich ein starkes eigenes Profil entwickelte. (dpk-krie)