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Dickicht von Beobachtungen und Gedanken

IM PORTRÄT / BODO HELL

15/03/13 Am Waldrand liegt zum Verbrennen vorbereitetes Holz, daneben eine Tafel: „Bittel Knüttel Hüttel“. Da hat wohl der Wort-Artist dem Almhirten den Griffel geführt. Der Sprachvirtuose, Senner, Fotokünstler und Textmonteur feiert heute Freitag (15.3.) seinen siebzigsten Geburtstag.

Von Reinhard Kriechbaum

Mit Almromantik darf man Bodo Hell nicht kommen. „Bitte nicht das Klischee verbreiten, dass man da sitzt und ein großes Werk schreibt“, sagte er eindringlich, als DrehPunktKultur ihn vor einigen Jahren auf der Grafenbergalm am Dachstein besuchte: „Almzeit ist nicht Regeneration, sondern körperliche Forderung: Du arbeitest den ganzen Tag.“

Es ist eine der wenigen Almen, wo man noch nicht mit dem Auto hinkommt, nicht mal mit Vierradantrieb. Von dort, wo die Straße endet, braucht’s, je nach Routenwahl, noch gut eine bis zwei Stunden bis zu des Dichter-Senns sommerlichem Domizil. Heuer im Sommer werden es 35 Jahre sein, dass ihm die Bauern ihr Vieh anvertrauen, ihm, einem aus der Stadt. Das will schon etwas heißen.

Laptop, das schon. Er steht auf einem Tisch neben dem Ofen, daneben die einfachen Gefäße, die Bodo Hell für die Herstellung von Ziegenkäse benötigt. Trotzdem tritt Hell jedem Verdacht, da ordne einer quasi in der Idylle von Gottes freier Natur seine Buchstaben, entschieden entgegen: „Das Alm-Tagebuch ist alles, was sich abspielt“, sagt Hell. Immerhin entspreche die Almregion, auf der er die Tiere zusammenhalten muss, der Fläche der Stadt Paris! Das ist Knochenarbeit. Gut tausend Kilometer, so sagt er, lege er in einer Almsaison zurück. Zwei Wochen brauche es im Frühsommer – der 21. Juni ist der klassische Alm-Auftakt – bis er die nötige Kondition wieder habe für Dreizehn-Stunden-Touren am Hochplateau. „Die Arbeit ist Gehen und Suchen.“

Gehen und Suchen, so muten Hells Werke gelegentlich schon an. Als einen Sammler von Notizen, von Apercus, von Beobachtungen dieser und jener Art muss man sich Bodo Hell auch in den übrigen neuneinhalb Monaten im Jahr vorstellen, die der gebürtige Salzburger in Wien verbringt. Wenn er nicht auf Lesereise ist. Aber wahrscheinlich auch dann. Ein ständiger Beobachter, Materialsammler, der das en detail Aufgefundene abtastet auf seine Welthaltigkeit en gros. Das ist im Prinzip der literarische Weg, den Bodo Hell mit Konsequenz beschreitet. Seite Dichtkunst ist eine, bei der einzelne Fäden zu einen intellektuellen Patchwork zusammengewoben werden. Die Muster sind oft nicht vorhersehbar.

„Bodo Hells Reihung von Sätzen, Satzfragmenten und Einzelwörtern wird mich immer wieder aus der gewohnten Bahn stoßen und dazu zwingen, einige Leseschritte ein zweites und drittes Mal zu unternehmen, um zu erkennen, wie hier vom Autor Ordnung geschaffen wurde oder Unordnung gestiftet.“ So Ernst Jandl, ein anderer großer Wort-Dreher der österreichischen Literatur im Jahr 1991, in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Erich Fried Preises an Bodo Hell.

In dem jetzt zum Siebziger erschienenen Buch „Bodo Hell Omnibus“ sind einige solcher Würdigungen nachzulesen. Aus der Sicht Hells sei ein „angemessenes Bild“ unserer Welt, wie sie sich in seiner Literatur niederschlägt, „eben keine lineare Anordnung, sondern eine Art Dickicht von Beobachtungen und Gedanken“. So der Schweizer Germanist Ernst Nef. Bodo Hell ist ein Meister der Gedankensprünge. Umfassend gebildet ist er, und wie aus einem Füllhorn schüttet er aus diesem Wissens-Vorrat Dinge in seine Wort-Sein mit einem für aufgeklärte Geister vielleicht schrulligem Interesse für die christliche Kultur, für volkskulturelle „Traditionen“ – das wirkt manchmal so fremdartig und ist doch so wundersam verquer, verdreht, verschlungen: ein sanfter Zwang auf den Leser, sich nur ja nicht zu aufgeklärt, zu modern, zu klug vorzukommen…

„Bittel Knüttel Hüttel“: Wir haben damals nicht gezögert, ein paar Äste mitzunehmen zur Almhütte von Bodo Hell, der 1972 der erste Träger des Rauriser Literaturpreises war.

Bodo Hell Omnibus: Beiträge von/Beiträger zu Bodo Hell. Literaturverlage Droschl, Wien 2013. 247 Seiten, 22 Euro. - www.droschl.com
Bilder: dpk-krie

„Omnibus 3D“: Das Geburtstagsfest für Bodo Hell in Salzburg - mit Vernissage und Buchpräsentation – findet am Mittwoch (20.3.) um 19 Uhr in der Galerie Eboran statt - www.literaturhaus-salzburg.at

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