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TODESFALL / ADOLF HASLINGER
08/01/13 In die Salzburger Literaturgeschichtsschreibung wird er als Sammler eingehen: Was Adolf Haslinger 1977 als „Stiftung Salzburger Literaturarchiv“ begründet hat, bildet des Stamm des „Salzburger Literaturarchivs“. Gestern Montag (7.1.) ist Adolf Haslinger 79jährig in Salzburg gestorben.
Von Reinhard Kriechbaum
„Sehr geehrte Redaktion! Gestern las ich wieder einmal in ihrer Zeitung meinen Namen unter den sogenannten Kandidaten für das Amt des Theaterzuständigen bei den Salzburger Festspielen. Ich erkläre nun ein für alle Mal, daß ich das Amt, Straßenkehrer auf dem Mönchsberg zu sein, vorzöge.“ Das schrieb Peter Handke am 18. Oktober 1984 auf einer Postkarte an die „Salzburger Nachrichten“. Adolf Haslinger hat dafür gesorgt, dass diese Zimelie wie so vieles andere im Salzburger Literaturarchiv gelandet ist.
Haslinger hat ja nicht nur des Öfteren über Handke publiziert, er war befreundet mit dem Dichter: Als Handke noch in Salzburg auf dem Mönchsberg wohnte (1979-1987), fand ja regelmäßig eine erlauchte Tarockrunde zusammen. Man kann das in „Der Chinese des Schmerzes“ nachlesen: Neben Handke gehörten Prälat Johannes Neuhardt, Hans Widrich (damals Pressechef der Salzburger Festspiele) und eben der Germanistik-Professor Adolf Haslinger dazu. Handkes 70. Geburtstag am 6. Dezember 2012 war der letzte öffentliche Auftritt Haslingers: Eine Knieoperation tags darauf ist zwar gut verlaufen, zum Verhängnis wurde ihm eine Virusinfektion.
Adolf Haslinger kam 1933 in Saalfelden zur Welt, der „Dialektgeographie des Pinzgaus“ galt seine Dissertation an der Universität Innsbruck. Bei der Wiederbegründung der Salzburger Universität 1964 war Haslinger einer der Lehrenden der ersten Stunde, zuerst als Assistent. Nach seiner Habilitation über „Epische Formen im höfischen Barockroman“ (1969) folgte 1973 die Ernennung zum Außerordentlichen Professor und 1976 die Berufung zum ordentlichen Universitätsprofessor für Österreichische Literatur.
Als neu ernannter Germanistikprofessor hat Adolf Haslinger 1977 die „Stiftung Salzburger Literaturarchiv“ gegründet, die Manuskripte und Archivalien auch von so prominenten Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke und Stefan Zweig erwerben konnte. Im Besitz dieser Stiftung befindet sich ein Großteil der Bestände des im Vorjahr neu eröffneten "Salzburger Literaturarchivs".
Als Präsident des Salzburger Rotary Clubs hat Haslinger im Jahr 2001 die Montage einer Gedenktafel am Salzburger Landestheater betrieben, die daran erinnert, dass wichtige Uraufführungen von Thomas Bernhard-Stücken in diesem Haus erfolgt sind.
Haslingers Forschungsinteresse galt etwa Adalbert Stifter oder George Saiko, vor allem aber hat er unermüdlich über die österreichische Gegenwartsautoren gearbeitet, etwa über H. C. Artmann, Konrad Bayer, Thomas Bernhard, Heimito von Doderer, Franz Innerhofer und Andreas Okopenko. Haslinger war auch Gründungspräsident der „Internationalen Thomas-Bernhard-Gesellschaft“.
Viele Fachkollegen und Freunde erinnern sich noch an Haslingers Abschiedsvorlesung „Lese-Abenteuer eines Germanisten“ im März 2003, zu seinem 70. Geburtstag. Von den großen Barockromanen Anton Ulrichs reichte der Bogen bis zu den zeitgenössischen Autoren Erich Hackl und Ernst Jandl. Haslinger vermittelte auch Überraschungen aus dem Reich der Literatur: die gigantischen Romane von Marianne Fritz, die Abenteuer des Wiener Sherlock Holmes Dagobert Trostler, den Kriminalroman ohne Täter von Otto Soyka „Das Glück der Edith Hilge“ oder die Entdeckung eines Pseudonyms der galanten Literatur. Natürlich kam er damals auch auf Handke und seine Notizen zu „Der Chinese des Schmerzes“ zu sprechen – ein Stück gemeinsamer Lebensweg zwischen dem Literatur-Schaffenden und -Interpreten.
Nach wie vor ein wichtiges Nachschlagewerk zur Salzburger Geistesgeschichte: das 2001 gemeinsam mit Peter Mitterayr herrausgegebene, sozusagen „generalüberholte“ „Salzburger Kulturlexikon“ (im Residenz Verlag).