Ein Leben für die Puppe an Fäden
TODESFALL / GRETL AICHER
15/03/12 Genau siebzehn Tage ist es her: Gretl Aicher erzählte mit der ihr eigenen mitreißenden Begeisterung vom Kooperationsprojekt des Marionettentheaters mit dem Landestheater: von Wagners „Ring“ mit Marionetten und Schauspielern.
Am Mittwoch (14.3.) ist Gretl Aicher völlig unerwartet verstorben. Man glaubt es kaum, wenn man die temperamentvolle, sich leidenschaftlich in die Sache einbringende alte Dame jüngst gehört hat. Gretl Aicher sprach von den immer neuen Herausforderungen, denen sich das Marionettentheater in seiner 99jährigen Geschichte gestellt habe, von der Notwendigkeit ständiger künstlerischer und technischer Weiterentwicklung.
Freilich erwähnte die Prinzipalin quasi im Nebensatz, dass sie mit der Ring-Produktion (gemeinsam mit dem Landestheater) „erstmals alle Aufgaben an die Jugend übergeben habe“. Die Premiere am 30. März hat sie also nicht mehr erlebt und auch nicht das Hundert-Jahre-Jubiläum ihres Hauses am 27. Februar nächsten Jahres.
Gretl Aicher wurde 1928 in Salzburg geboren. Ihre Kindheitsjahre waren intensiv von Theater, Musik und vor allem von Märchen im familieneigenen Salzburger Marionettentheater geprägt. Modellieren, malen, tischlern, sprechen und singen gehörte neben der Schule und Ausbildung zu ihrem täglichen Ablauf. Sie war die Enkelin des Bildhauers und Marionettentheater-Gründers Anton Aicher (1859-1930).
Bereits mit 15 Jahren übernahm sie ihre erste Rolle in dem Stück "Die Nürnberger Puppe", die erste Tournee nach Rumänien folgte im Jahr 1945. Ab 1952 übernahm Gretl Aicher im Theater die Lichtregie, nach und nach die Theaterschneiderei und Bühnenverantwortung. Sie hatte ja eine einschlägige Ausbildung hinter sich, an der Staatlichen Meisterschule für Schnitzen, Malerei und Bühnenbild. Nach dem Tod des Vaters Hermann Aicher 1977 ging die gesamte künstlerische Leitung des Theaters in Gretl Aichers Hände über.
Sie war nicht nur Prinzipalin des Fädenpuppenvolks, sie hat auch wirklich die Fäden gezogen. Über sechzig Jahre lang hat sie in mehreren tausend Aufführungen dem Papageno in Mozarts „Die Zauberflöte“ die Gesten und Schritten vorgegeben. 1984 wurde ihr durch den Bundesminister für Unterricht und Kunst der Berufstitel "Professor" verliehen, 1988 das goldene Ehrenzeichen des Landes Salzburg sowie die Ehrenbürgerschaft von Nashville/Tennessee, USA.
Zahlreiche Tourneen führten Gretl Aicher mit ihrem Theater durch ganz Europa, Amerika und Asien. Sie interessierte namhafte Bühnenbildner und Regisseure, etwa Günther Schneider-Siemssen und Götz Friedrich für die Playback-Welt der Puppen. 1996 erfolgte die erste Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen in "Oberon" – eine erfolgreiche Kooperation, der noch weitere folgen sollten. Bei „Mozart22“ im Mozartjahr 2006 war es klar, dass auch Gretl Aichers Bühne ein Platz im Opernreigen gebührte: Das war „Bastien und Bastienne“, mit dem ihr Großvater 1913 seine Marionetten-Laufbahn begonnen hatte. (dpk/klaba-krie)