Inspektor gibt’s kan
IM PORTRÄT / OSKAR FEIFAR
06/03/12 ... und Kommissar gibt’s in Österreich auch keinen. Oskar Feifar arbeitet bei der Kriminalpolizei in Salzburg im „Ermittlungsbereich Menschenhandel, Schlepperei und Prostitution“. Am Freitag (9.3.) wird im Literaturhaus sein erster Kriminalroman vorgestellt.
„Dorftratsch“ spielt anno 1971 in der Niederösterreichischen Provinz - im Dorf Tratschen - und erzählt vom Zerbröckeln des Idylls unter den vom Ortsbildschutz vorgeschriebenen Blumenkästen. An eine Veröffentlichung habe nicht er selber gedacht - sondern seine Freundin: „Für sie habe ich die Geschichte geschrieben. Und sie war der Meinung, das Manuskript müsse unbedingt an einen Verlag geschickt werden.“
„Dorftratsch“ wurde in drei Monaten niedergeschrieben. Eingereicht. Angenommen: „Ganz realisiert habe ich das noch immer nicht.“ Gut ein Jahr habe es dennoch gedauert vom Manuskript auf dem Schreib- bis zum Buch auf dem Ladentisch. Die Zeit ist genützt worden: „Der zweite Teil existiert bereits, er wird 2013 erscheinen.“ Es sei ihm als Erwachsenem mit dem Schreiben gegangen, wie früher als Kind mit dem Lesen, erzählt Oskar Feifar im Gespräch mit DrehPunktKultur: „Wenn etwas spannend war, bin ich richtig hineingekippt.“
Er habe von Anfang an „einfach wild drauf los geschrieben, herrlich zwanglos, in Mundart“. Eine Idee – „Wo soll es hinführen“ – war das einzige Konzept. Über Stil oder Handlungsaufbau habe er kaum nachgedacht: „Alles ist im Schreiben entstanden.“ Einiges Stilistische habe freilich seine Lektorin „entschärft“. Sie habe gesagt, „auch der deutsche Gaumen muss das verkraften“.
Oskar Feifars Ermittler ist der Postenkommandant Leopold „Poldi“ Strobl. Er hat sich nach einer privaten Tragödie von Salzburg nach Niederösterreich versetzen lassen. „Und zwar in den hintersten Winkel“, wie es im Buch heißt. Dort habe er zwar sein Leben wieder in den Griff bekommen, sei aber ein richtiger Einsiedler geworden. Mit seinen Problemen ist Postenkommandant Strobl in bester Gesellschaft: kaum ein Ermittler - vom Kommissar Kurt Wallander bis zum Rechtsmediziner David Hunter – der nicht Bürden zu tragen und Schicksalsschläge zu verarbeiten hat. „Sie haben schon recht“, sinniert Oskar Feifar, „es schreibt sich über solche angeschlagenen Helden viel leichter, als über unwiderstehliche Siegertypen. Und es ist auch viel interessanter zu lesen, wenn man mitleiden kann.“
Tatsächlich spiegle sich hier ein wenig die reale Berufssituation: In einer Runde von Kriminalbeamten sei man einmal „zu sechst auf neun Scheidungen gekommen“, erzählt Oskar Feifar. „Es ist ein nicht ganz familienfreundlicher Beruf.“ Aber auch wenn es im Krimigenre von Schweden bis Italien kaum einen Ermittler ohne Sorgen und Nöte gibt, habe er sich grundsätzlich auf den Kriminalfall konzentrieren wollen, betont Feifar.
Im Dörfchen Tratschen geht es unter der Oberfläche der heilen Welt oft ziemlich grausig zu, dennoch habe er keinen Krimi schreiben wollen, „der nur von Grausamkeiten lebt“. Ihm sei es, so Feifar, um eine Geschichte gegangen, „die skurrile Wendungen nimmt, wenn man am wenigsten damit rechnet“.
Amüsiert oder ärgert sich der Profi angesichts des Verhaltens seiner Kollegen in der Kriminalliteratur? Treffen manche Krimiautoren die Realität des Berufsalltags eines Polizisten? Henning Mankells „Wallander-Krimis“ hätten gute Ansätze: „Interessant wird es, wenn er beschreibt, wie kleine Ereignisse ablenken und zu Ermittlungsfehlern führen.“ Ihm imponiere besonders, so Feifar, wie Mankell es etwa im Roman „Die Italienischen Schuhe“ schafft, seine Leser „mit einem Nichts an Handlung bei der Stange zu halten“: „Das ist die hohe Kunst des Schreibens.“
Gelegentlich wundert er sich, so Oskar Feifar, wie wenig Krimiautoren über den Aufbau des Polizeiapparates, über Befehlsketten oder Machtbefugnisse zu wissen scheinen: „Die haben oft Befugnisse, da kann unsereins nur sagen ‚Mei, wäre das schön’.“ Auch neigen die Autoren leicht dazu, „Dinge spannender zu machen als sie sind“. „Was wirklich passiert bei der Aufklärung von Straftaten will keiner sehen, keiner lesen: tagelange Routinebefragungen, stundenlange Analysen...“ Und die Gefahr für Leib und Leben? Potentiell sei der Beruf gefährlich – „Wir sind nicht umsonst immer zu zweit unterwegs" – dennoch befinde man sich in Österreich tendenziell noch auf einer Insel der Seligen.
Ganz bewusst habe er seine Geschichte in die 1970er-Jahre verlegt: „Mein Held darf manches sagen, was er heute nicht mehr sagen dürfte. Und das Fehlen der ganzen technischen Hilfsmittel – von der DNA-Analyse abwärts - erlaubt einen gewissen Handlungsspielraum was Ermittlungsfehler betrifft.“
Auch seine Nebenfiguren sind – trotz assoziativen „wild drauf los Schreibens“ - nicht alle ganz frei erfunden. Wie etwa der kriegsversehrte „alte Lehner“, der in seinem Rollstuhl nur zwei Dinge bedauert: „Dass er nicht zu Fuß bis nach Stalingrad hat gehen können und wie die Sache letztendlich ausgegangen ist.“ Solche Leute habe er „in seiner Zeit als Kellner“ am Wirtshaustisch erlebt, erzählt Oskar Feifar: „Leute, die selber gelitten haben, die in Gefangenschaft waren, die es besser wissen müssten…“
Natürlich sei er „unglaublich gespannt“, wie sein Buch sich nun verkaufen und aufgenommen werden wird. Vor allem aber beschäftige ihn derzeit die Frage: „Was mache ich jetzt mit dieser Chance?“, erzählt der Autor Jahrgang 1967. „Will ich weiter vor allem unterhalten oder doch – sollte sich wirklich ein interessierter Leserkreis bilden – auch eine Botschaft vermitteln.“ Eins sei ihm nach dem so spontan entstandenen Erstling schon klar geworden: „Es schreibt sich nicht mehr so ungeniert, wenn man weiß, dass es publiziert wird.“