Der „Kunst-Bischof“ ist heute 75
EGON KAPELLARI
12/01/11 Sein Brief zum Papst sollte schon unterwegs sein – mit 75 Jahren müssen Bischöfe in Rom ja um Pensionierung ansuchen. Mal schauen, wie lange man sich Zeit lässt mit der Nachbesetzung im Fall von Egon Kapellari, dem Grazer Diözesan- und österreichischen Kunst-Bischof.
Von Reinhard Kriechbaum
Für den Kontakt zwischen Kunst und Kirche ist Kapellari nämlich in der Bischofskonferenz verantwortlich. Bei allen Konflikten, die zwischen Kunst, Kultur und Kirche bis heute zuweilen auftreten, dürfe man nicht aus dem Auge verlieren, dass Kirchengeschichte immer auch Kunst- und Kulturgeschichte war und die europäische Kultur "dem Christentum außerordentliche viel zu verdanken" habe, erklärt Kapellari. Gerade Österreich könne als Beispiel einer "geglückten Wechselbeziehung von Kirche und Kunst" dienen. Sowohl Kunst als auch Kirche beziehen ihre grundlegenden Impulse aus den "großen Themen des Menschseins" wie "Leben und Tod, Glück und tragische Vergeblichkeit, Frieden und Krieg, Schönheit und Schrecken".
Eine wesentliche Aussage Kapellaris: Die Liturgie sei zentraler innerkirchlicher Ort der Auseinandersetzung mit Kunst: So könne die Kunst "besonders der Liturgie helfen, ihre Heiligkeit, ihre mystische Tiefe zu erhalten oder wieder zu gewinnen". Auch könne sie helfen, "Banalität aus dem Gottesdienst zu vertreiben". Tatsächlich gebe es heute "viel Banalität durch einen inkompetenten Umgang mit Wort, Raum, Altar, liturgischem Kleid und Gebärde" in der Liturgie, so sagte der Grazer Diözesanbischof vor einigen Monaten bei einer Fachtagung in Kärnten. Man könne von der Strenge der Kunst lernen, so der Appell Kapellaris an die theologischen Fakultäten, Priesterseminare, Klöster und kirchlichen Bildungshäuser als "qualifizierte Orte für Diagnose wie Therapie". Wie die Kunst, so stelle auch die Liturgie einen "Ort der Selbstüberschreitung" auf Gott und den Mitmenschen hin dar.
Eine "Dissoziation", ein markanter Bruch zwischen dem bis dahin geltenden Gleichklang von Kirche und Kunst also, reiche laut Kapellari rund zweihundert Jahre zurück. Seither seien "viele Brücken zwischen Kirche und Kunst abgebrochen oder wenig begangen“ worden. Gerade die künstlerische Auseinandersetzung mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts habe oftmals das Schöne, das bis dahin den Konnex zur Religion darstellte, in der Kunst zurückgestellt und zum "Aschenbrödel der Moderne" werden lassen, so Kapellari.
Die Verwiesenheit von Kunst und Kirche aufeinander spreche bereits aus dem vielfältigen theologischen Ringen mit dem alttestamentlichen Bilderverbot, das immer wieder zur Korrektur und Kritik auch der religiösen Bildnisse etwa von Jesus Christus herausfordere. Wie Bildlosigkeit auf der einen Seite als "Ausdruck der Reinheit des Glaubens" gelten könne, so könne sie ebenso auch zu "Verarmung und Verlust des Glaubens beitragen", unterstreicht Kapellari.
Egon Kapellari ist seit drei Jahrzehnten Bischof, zwanzig Jahre in Klagenfurt und nun seit zehn Jahren in Graz. Er wurde 1936 in der steirischen Industriestadt Leoben geboren. Bevor er sich der Theologie zuwandte, absolvierte er ein Jus-Studium. Viele Jahre lang war er in Graz Hochschulseelsorger und auch in der Leitung des Priesterseminars tätig.
In seiner Zeit als Kärntner Bischof initiierte er u.a. die "St. Georgener Gespräche" mit Referenten wie Joseph Ratzinger, Karl Lehmann, Hans Urs von Balthasar oder Johann Baptist Metz. Seit 1997 gehört Kapellari der Kommission der Bischofskonferenzen des EU-Raumes (ComECE) an. In der Bischofskonferenz ist Bischof Kapellari für die Bereiche Liturgie, Kultur und Medien zuständig. Er ist auch Konsultor der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche.
Die Kirche brauche - wie Kapellari immer wieder betont - "viele ehrliche Allianzen auch mit Politik, Kultur, Medien und anderen die Gesellschaft tragenden Kräften".