Der bescheidene verhinderte Rugby-Star
TODESFALL / SEIJI OZAWA
09/02/24 26 Konzerte waren es. Von 1966, mit den Wiener Philharmonikern und Alfred Brendel im Schumann-Klavierkonzert, bis 2004 wieder mit den Wienern und Benjamin Schmid im Korngold-Violinkonzert. 1969 und 1970 die Ponelle-Così, 1990 und 1991 Idomeneo in der Lehnhoff-Inszenierung. Seiji Ozawa, einst Karajan-Assistent, gehört – auch – zu Salzburg.
Von Heidemarie Klabacher
Laut Berichten japanischer Medien ist Seiji Ozawa am 6. Februar im Alter von 88 Jahren gestorben. Ozawa war zwischen 1966 und 2004 regelmäßig zu Gast in Salzburg, oft am Pult der Wiener Philharmoniker. Von 1973 bis 2002 war Seiji Ozawa Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra: Diese künstlerische Beziehung gilt als längste, die ein Orchester und einen Dirigenten verbunden hat. Von 2002 bis 2010 war Ozawa Musikdirektor der Wiener Staatsoper. Der einstmalige Assistent von Herbert von Karajan und Leonard Bernstein arbeitete in allen wichtigen Opernhäusern der Welt.
„Mit Seiji Ozawa ist einer der großen Dirigenten unserer Zeit von uns gegangen. Wir blicken voller Dankbarkeit und mit Liebe auf viele gemeinsame Konzerte und Opernvorstellungen zurück, besonders auch auf unsere Tourneen durch Japan“, schreiben die Wiener Philharmoniker anlässlich des Todesfalles. „Die Zusammenarbeit mit Seiji Ozawa begann 1966 bei den Salzburger Festspielen. Über fünf Jahrzehnte führten wir ein unglaublich breites Repertoire auf. Es reichte vom Barock über die Meister der Wiener Klassik und der Romantik bis hin zur Moderne, mit Konzerten und Uraufführungen von zeitgenössischen Komponisten.“ Als einen besonderen Höhepunkt habe das Orchester das Neujahrskonzert 2002 empfunden.
„Wir sind glücklich, so viele künstlerische Höhepunkte mit Seiji Ozawa erlebt zu haben. Es war ein Geschenk, mit diesem Künstler einen langen Weg gehen zu dürfen, der sich durch höchste musikalische Ansprüche und zugleich Demut gegenüber den Schätzen der Musikkultur sowie durch seinen liebevollen Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen und seinem auch vom Publikum so empfundenen Charisma auszeichnete“, so Daniel Froschauer, der Vorstand der Wiener Philharmoniker.
Von den schier unzählbaren Einspielungen sei das letzte Release erwähnt. Erst am 29. September 2023 erschien in der DG-Reihe The Original Source die Neuauflage einer Aufnahme von Berlioz‘ Symphonie fantastique. Diese war noch vor dem offiziellen Amtsantritt Ozawas als Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra 1966 herausgeommen. Die limitierte und nummerierte Vinyl-Neuausgabe anlässlich des 125. Geburtstags der Deutschen Grammophon mit Originalcovers und Originaltexten ist aber schon wieder vergriffen.
Seiji Ozawa, am 1. September 1935 als Sohn japanischer Einwanderer in Shenyang in der Mandschurei in China geboren, wollte eigentlich Pianist werden. Nachdem er sich beim Rugby-Spielen zwei Finger gebrochen hatte, studierte er Komposition und Dirigeren. 1959 erhielt er einen Preis der International Competition of Young Orchestra Conductors in Besançon und eine Einladung von Charles Münch an das Tanglewood Music Center. 1960 gewann Ozawa den Koussevitzky-Preis und bekam ein Stipendium von Herbert von Karajan. 1961/62 wurde er Assistent von Leonard Bernstein beim New York Philharmonic Orchestra. Es folgten Engagements beim Ravinia-Festival in Chicago, beim Toronto Symphony Orchestra und in San Francisco. Seit 1966 besteht nicht nur die enge künstlerische Beziehung zu den Wiener sondern auch zu den Berliner Philharmonikern, die Ozawa 2016 zum Ehrenmitglied ernannten. Bereits 2010 wurde Seiji Ozawa die Ehrenmitgliedschaft der Wiener Philharmoniker verliehen: „Wir konnten im Herbst 2021 im Rahmen unserer Japan-Tournee das letzte Mal mit ihm musizieren“, erinnert Philharmonikervorstand Froschauer. „Seiji Ozawa dirigierte den langsamen Satz aus dem Divertimento KV 136 von Mozart.“
Bild: Decca / Michiharu Okubo