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Extreme in Höhen und Tiefen

TODESFALL / HELMUT BERGER

19/05/23 Er hat die letzten Jahrzehnte seines Leben in Salzburg verbracht, in einer Plattenbau-Wohnung in Aigen. Ein deutlich weniger nobles Logis, als man es sich für einen Filmschauspieler ausmalt, der in den späten 1960er Jahren für gut zehn Jahre zu außerordentlichem Ruhm kam und zur High Society der Branche rechnete. Später geriet er eher ob seiner Verhaltensauffälligkeiten in die Schlagzeilen.

Von Reinhard Kriechbaum

Helmut Berger also ist gestorben, eine Woche vor seinem 79. Geburtstag. Eine Filmkarriere war dem 1944 als Sohn einer Hoteliersfamilie in Bad Ischl Geborenen nicht in die Wiege gelegt. Aber für eigene Wege war Berger immer gut. Er ging nach England, arbeitete als Fotomodell, nahm Schauspiel- und Italienischunterricht. In der Römischen Cinecitta übernahm er Statistenrollen.

Schicksalhaft die Begegnung mit Luchino Visconti (1906-1976), der sein Lebensgefährte werden sollte. Seinen internationalen Durchbruch erlebte er in Viscontis Die Verdammten (1969), dafür erhielt er eine Nominierung für den Golden Globe Award als Bester Nachwuchsdarsteller. Der Garten der Finzi Contini wurde mit einem Oscar ausgezeichnet und Billy Wilder stellte fest, dass es ein Jammer sei, dass Italiens bester Schauspieler in Wirklichkeit ein Österreicher sei. Helmut Berger sprach auch perfekt Englisch, Französisch und Italienisch. Das prädestinierte ihn für eine internationale Karriere. In Die Rivalin (1973) spielte er an der Seite von Elizabeth Taylor und Henry Fonda. In der Skandalverfilmung um den Salon Kitty von Tinto Brass spielte Berger den Geschäftsführer eines Bordells in der NS-Zeit. In Unternehmen Entebbe war er der Terrorist Wilfried Böse, Partner waren Anthony Hopkins, Burt Lancaster, Kirk Douglas und Elizabeth Taylor.

In Viscontis Ludwig II. porträtierte er den Bayernkönig von der blühenden Jugend bis zum bitteren, nervös-paranoiden Verfall des Herrschers. Nicht unähnlich seinem eigenen Lebensweg. In Gewalt und Leidenschaft verfilmte Visconti seine Beziehung zu Berger. Burt Lancaster spielte einen älteren Kunstprofessor, der sich zum jugendlichen Berger hingezogen fühlt.

Als „schönster Mann der Welt“ wurde er in der regenbogenpresse tituliert, er modelte für Modezeitungen und zierte als erster Mann überhaupt das Cover der Zeitschrift Vogue. Fotografen wie Helmut Newton, Mary Ellen Mark oder David Bailey veröffentlichten Bilderreihen mit ihm. Andy Warhol fertigte Polaroids von Berger an und reproduzierte sie als Siebdrucke.

Umso bitterer der psychische Absturz nach dem Tod Viscontis. Zwar arbeiteten danach noch große Regisseure wie Quentin Tarantino oder Claude Chabrol mit ihm, aber Erfolge wie früher blieben aus. 1992 spielte Berger in dem Video der Sängerin Madonna für den Titel Erotica mit. Für ihr Buchprojekt SEX steuerte Berger Bilder und Texte bei. Madonna bezeichnete Berger als Idol. Nach 2009 ist Berger noch ein paarmal in Filmen aufgetreten, sogar auf der Bühne. Mit einer nur drei Tage währenden Teilnahme am Dschungelcamp 2013 wurde er immerhin auch einer jüngeren Generation bekannt. Der Spiegel urteilte damals, von dem Mann, der einst „mehr Sex ausstrahlte als Robert Pattinson und Leonardo DiCaprio zusammen“, sei wenig geblieben.

In seiner 1998 erschienenen Autobiographie Ich bezeichnete Helmut Berger sich als Viscontis Witwe. Diese Ich-Bezogenheit war wohl auch sein Problem. Das hat der Salzburger Filmemacher Andreas Horvath in dem abendfüllenden Dokumentarfilm Helmut Berger. Actor nachgespürt. Nach der Uraufführung 2016 bei der Diagonale in Graz schrieben wir: „Das Faszinierende ist die Grenzziehung, die eigentlich nicht möglich ist. Wo endet das unsäglich triste Leben dieses hoffnungslos abgesandelten Menschen, wo fängt die Schauspielkunst eines grandiosen Exhibitionisten an? Und wo fallen Schranken im Verhältnis zwischen Dokumentarfilmer und Porträtiertem?“

Nach Ansicht Bergers waren damals zu viele Schranken gefallen – Horvath zeigte den Schauspieler beim Onanieren, und das warb keineswegs die heftigste Szene in diesem Streifen. Die Frage nach der geistigen Zurechnungsfähigkeit Bergers zum Zeitpunkt der Dreharbeiten (bald nach seinem 70. Greburtstag) beschäftigte jedenfalls die Gerichte. Letztlich ging es um die Frage, wie viel Privatheit einer öffentlichen Person – die ein Schauspieler vom Format Helmut Bergers eben war – zugestanden werden müsse. der Dokumentarfilmer Andreas Horvath wurde schließlich freigesprochen. Aus der DrehPunktKultur-Besprechung des Films: „Das Auf und Ab schwerer psychischer Erkrankung, die Flucht in Scheinwelten, die Hoffnungslosigkeit, mit der sagenhaft tristen Lebenswelt zusammen zu kommen: ein Giftmix in einem Film, der das Exzessive und Selbstzerstörerische dieses Lebens in opulente Bilder packt und das Armseligste mit Wollust greift.“

Bilder: www.andreas-horvath.com (2); Wikimedia / Marisa Rastellini
Zum Stich-Wort Helmut Berger
Zur Filmbesprechung Zweierlei grandioses Kopftheater

 

 

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