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„Bruckner war einfach immer da“

TODESFALL / BERNARD HAITINK

22/10/21 In drei Sommern hat er bei den Salzburger Festspielen auch Oper dirigiert, vor allem hat man Bernard Haitink aber als Konzertdirigent in Erinnerung – und da speziell als Bruckner- und Mahler-Exegeten. Haitink ist am Montag (21.10.) im Alter von 92 Jahren gestorben.

Von Reinhard Kriechbaum

Im Jahr 1991/92 legte man Mozarts Figaro in seine Dirigentenhände, und das war zugleich Haitinks spätes Festspiel-Debüt (da war er schon 62). 1993 dann die Zauberflöte. Mit Bruckners Siebenter Symphonie hat er sich 2019 am Pult der Wiener Philharmoniker hat er sich von den Festspielen verabschiedet. „Ein Hochamt ganz ohne Weihrauch“ übertitelten wir damals die DrehPunktKultur-Besprechung. „Altmeister Haitink, der mit seinen neunzig Jahren nichts an Spannkraft verloren hat, bündelt die Energie und fängt sie mit einem sanften Wink der linken Hand wieder ein: Da bleibt nicht die Spur von einem Hochnebel aus emotionalem Überschuss unter der Saaldecke hängen. Viel Weihe, kein Rauch.“ Nichts wäre Haitink ferner gelegen als Effekthascherei. Man darf ruhig sagen: Er wirkte beinah demütig beim Dirigieren. Auch die große Geste war ihm fremd. „Groß in seiner musikalischen Aufrichtigkeit, groß in seinem musikalischen Ethos“, formuliert es Intendant Markus Hinterhäuser in einem Nachruf der Festspiele.

Acht „Philharmonische“ unter Haitink listet die Festspielchronik auf. 1972 hat er die Wiener Philharmoniker, die ihn schließlich zum Ehrendirigenten ernannten, das erste Mal dirigiert. Bei den Festspielen leitete Haitink aber auch die Berliner Philharmoniker, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Staatskapelle Dresden und – erstaunlicherweise nur ein Mal – jenes Orchester, mit dem sein Name untrennbar verbunden ist, das Concertgebouw Orchester Amsterdam.

1956 war er am Concertgebouw-Pult für Carlo Maria Giulini eingesprungen, Nach dem plötzlichen Tod von Eduard van Beinum 1959 übertrug man Haitink das Amt des Ersten Dirigenten. Ab 1961 teilten sich er und Eugen Jochum das Amt des Chefdirigenten. 1964, als Jochum das Amt aufgab, wurde Bernard Haitink alleiniger Chefdirigent und Künstlerischer Leiter. Sein Vertrag mit dem Concertgebouw-Orchester wurde 1988 – also immerhin nach mehr als einem Vierteljahrhundert – nicht mehr verlängert, was Haitink dem Orchester verübelte und daraufhin knapp fünf Jahre nicht mehr mit diesem auftrat. 1999 ernannte ihn das Orchester aber zum Ehrendirigenten.

1967 wurde er zum Ersten Dirigenten des London Philharmonic Orchestra ernannt, das er bis 1979 leitete. Zwischen 1978 und 1988 war Haitink musikalischer Leiter des Opernfestivals in Glyndebourne. Chefposten bzw. das Amt eines Ersten Dirigenten hatte er wieters beim Boston Symphony Orchestra, bei der Staatskapelle Dresden beim Chicago Symphony Orchestra inne. Im Jahr 2008 erarbeitete Haitink mit dem Chamber Orchestra of Europe exklusiv für das Lucerne Festival einen Beethoven-Zyklus auf der Grundlage der neuen Kritischen Gesamtausgabe, 2010/2011 am selben Ort mit gleichem Klangkörper einen Zyklus mit den Orchesterwerken von Brahms.

Je drei Mal hat er alle Symphonien von Beethoven und Brahms aufgenommen, er hat auch eine Gesamtaufnahme der Sinfonien von Ralph Vaughan Williams vorgelegt. Aber seine Domäne schlechthin war doch Bruckner und Mahler. Als Achtjähriger, so verriet er einmal, habe erstmals eine Sinfonie von Bruckner gehört: „Bruckner war einfach immer da“, erklärte er dessen Stellenwert in seinem Dirigentenleben.

Bild: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli (1); Bilder: Wiener Philharmoniker / Terry Linke
Zum Porträt Einer der ganz Großen tritt zurück
Zur Konzertbesprechung Ein Hochamt ganz ohne Weihrauch

 

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