asdf
 

Zerbinetta und Lucia

TODESFALL / EDITA GRUBEROVA

19/10/21 Es werde ihr nachgesagt, dass ihr „keine Koloratur zu schwierig und keine Höhe zu hoch war“, heißt es über sie in einem Buch über Sängerinnen-Stars. Wie wahr. Edita Gruberova ist am Montag (18.10.) im Alter vonn 74 Jahren in Zürich gestorben.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie lange ihre Karriere währte, das wird so recht anschaulich, wenn man die Besetzungsliste ihres Festspiel-Debüts liest: Das war eine Zauberflöte 1974, sie sang die Königin der Nacht, René Kollo war Tamino, Edith Mathis die Pamina, Hermann Prey der Papageno. Karajan stand am Pult. Ein schon sehr fernes Jahrhundert! Am anderen zweitlichen Ende ihrer Festspielauftritte: ein Liederabend 2013 im Haus für Mozart (damals entstand das Foto), in dem sie in einem ausgiebigen Zugabenblock nebst manch Unbekanntem aus dem Reich des Belcanto das Walzerlied „Ach, wir armen Primadonnen“ aus Carl Millöckers Der arme Jonathan sang.

Fast vierzig Jahre also in einem Fach, in dem heutzutage Kolleginnen rasch verheizt werden. Eine solche „arme Primadonna“ war die Gruberova nicht. Sie verfügte über eine brillante Technik, die ihrer Stimme noch in einem für eine Kolorartursopranistin geradezu biblischen Alter (im letzten Festspielkonzert war sie 66) sagenhafte Brillanz sicherte. Nur wenige Jahre zuvor, 2010, hat sie hier in einer konzertanten Aufführung noch die Titelpartie in Norma gesungen. Die geradezu juvenile Frische in der Stimme hat sie lange bewahren können, und die Lyrik hinter den halsbrecherischen Koloraturen – das war's, was ihr besonderes Gestaltungsvermögen ausmachte.

In Salzburg waren es gar nicht so viele Opernpartien: der Page Tebaldo in Verdis Don Carlo (unter Karajan), die Konstanze in der Entführung und die Donna Anna in Don Giovanni. 1977 ein für die Festspiele damals gar ungewöhnliches Stück aus dem Frühbarock: Stefano Landis Il Sant'Alessio. Mehrere Jahre lang ab 1979 sang sie unter Karl Böhm jene Rolle, die für sie geradezu zum Markenzeichen wurde: die Zerbinetta in Ariadne auf Naxos von Richard Strauss.

Die Titelrolle in Donizettis Lucia in Lucia di Lammermoor hat sie in Salzburg nie, dafür neunzig Mal an der Staatsoper gesungen – auch das eine Partie, die eng mit ihrem Namen verknüpft ist. Ihre Stimme und die Originalversion der Wahnsinnsarie mit Glasharmonika, das war der Inbegriff von Belcanto und spiegelte auch die Neugier der Sängerin, die sich auch oft für seinerzeit weniger bekannte Werke dieses Genres stark machte, von Donizetti und Bellini: Maria Stuarda, Beatrice di Tenda, La straniera, Anna Bolena, Roberto Devereux oder Linda di Chamounix. Manchmal gab's für Emgagements die Gruberova eben nur im Kombination mit solchen Werken, die ihr ein Herzensanliegen waren und in deren Bravourrollen sie ihre einschlägige Kompetenz ausleben konnte. Manch Rares hat sie auf CD aufgenommen, für ihr Label Nightingale.

Das endgültige Ende ihrer Karriere gab sie erst im September 2020 bekannt – da war schon Corona... Fünfzig Minuten Beifall erntete sie in München, als sie im Frühjahr 2019 zum letzten Mal auf der Opernbühne stand. Da sang sie an der Bayerischen Staatsoper die Königin Elisabetta in Donizettis Roberto Devereux. Christof Loy inszenierte – auch daran kann man die Zeitspanne dingfest machen, die Gruberovas Karriere umspannte. Bei ihrem Festspieldebüt hatte Giorgio Strehler Regie geführt.

Bild: dpk-E.Aumiller
Zur Besprechung von Edita Gruberovas letztem festspiel-Liederabend
Ach, wir armen Primadonnen

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014