„Für Bruno Ganz, wen sonst“
TODESFALL / BRUNO GANZ
18/02/19 „Sein Tod hinterlässt eine große Leere. Seine einzigartige Kunst, seine Stimme und sein unvergleichliches Lächeln werden mir, werden uns, unendlich fehlen“, sagt Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser zum Tod des Schauspielers Bruno Ganz.
Mag sein, dass die Engagements gerade durch Markus Hinterhäuser, die sich ins Gedächtnis eingegraben haben, im Nachhinein die Salzburger Festspiel-Präsenz von Bruno Ganz vom Umfang her bedeutender erscheinen lassen, als es die Zahl der Auftritte tatsächlich bestätigt: Hinterhäuser holte Bruno Ganz nämlich 1993, im ersten Jahr des „Zeitfluss“-Festivals, als Hölderlin-Rezitator an dem Abend mit Il canto sospeso von Luigi Nono. Auch als Sprecher in Werken von Sciarrino oder Battistelli hat Bruno Ganz viele Festspielbesucher die Hemmschwelle zur zeitgenössischen Musik überschreiten lassen. Und 2011 stand Bruno Ganz stand András Schiff zur Seite, in Viktor Ullmans Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke.
Aber Ganz' Festspieldebüt lag da ja schon fast vier Jahrzehnte zurück: Das war damals nur ein einziger Auftritt, denn bei der Premiere von Thomas Bernhards Der Ignorant und der Wahnsinnige war es zu jenem denkwürdigen Theaterskandal gekommen, der zur Absage aller weiteren Vorstellungen führte. Die Premiere hatte, trotz „Notlichtskandal“ ausgereicht, Bruno Ganz den Titel „Schauspieler des Jahres“ zu sichern.
Vor jenen zwei Minuten „absoluter Finsternis“, die die Behörden nicht durchgehen hatten lassen, hatte Bruno Ganz mit seiner Darstellung des Doktors die Messlatte gesetzt, an der sich bis heute jeder Gestalter der Rolle des Professors messen lassen muss. Renate Wagner beschrieb damals im Kurier „eine schauspielerische Leistung ohnegleichen“: „In dieser Rolle sieht man Bruno Ganz, und man steht vor einer Persönlichkeit, wie man sie nicht so leicht findet. Vollkommene Dressur ist bei ihm zur Natur geworden, zu einer verfremdeten Selbstverständlichkeit, die nach fünf Anlaufminuten von Seiten des Publikums das Gefühl hinterlässt, es könnte nicht anders sein, nur so kann man diesen Text sprechen...“
Auch bei der Uraufführung von Peter Handkes Prometheus, gefesselt 1986 hat Bruno Ganz das Festspielpublikum in seinen Bann gezogen. Eine Sternstunde, in dieser Beurteilung waren sich Kritik und Publikum ausnahmsweise einig. Karin Kathrein rühmte in der Presse seine „einzigartige Sprech- und Gestaltungskunst... Wie dieser Schauspieler den Text von innen her durchdringt, wie alles belebt, schattiert, nuanciert und die Spannung aufrecht erhalten wird, wie der Schmerzensmann den Empörer überschattet, der Mitleidende den Wissenden, das zählt zu den Gipfelleistungen der Schauspielkunst.“
Und über seinen Auftritt in der Titelrolle von William Shakespeares Römerdrama Coriolan 1993 (er spielte die Titelrolle in einer Inszenierung von Deborah Wagner in der Felsenreitschule) urteilte Hans Haider in der Presse: „Die Rolle des Coriolan kann heute niemand aufregender als Bruno Ganz spielen.“ Diese drei Schauspiel-Rollen (insgesamt 26 Aufführungen) blieben schließlich die einzigen. Dazu kamen acht Auftritte als Rezitator in Konzerten und Lesungen.
Bruno Ganz kam 1941 nahe Zürich zur Welt. Als junger Theaterschauspieler kam er in Kontakt zu Peter Zadek und Peter Stein, dem er 1969 ans Schauspielhaus Zürich folgte. Kurz danach gehörte Bruno Ganz zur Truppe um Peter Stein bei der Gründung der Berliner Schaubühne. Dort arbeitete Ganz mit den innovativen Regisseuren seiner Zeit zusammen, wie Claus Peymann, Klaus-Michael Grüber, Luc Bondy oder Dieter Dorn,.
Zu den legendären Theateraufführungen gehörte 1972 Kleiststs Prinz von Homburg unter Peter Stein, mit Jutta Lampe, Otto Sander, Peter Fitz und Botho Strauß als dramaturgischem Mitarbeiter. Mit Peymann und Thomas Bernhard war Ganz immer wieder verbunden. Bernghards Stück Die Jagdgesellschaft enthält die Widmung „Für Bruno Ganz, wen sonst“.
Eine famose Filmrolle für Bruno Ganz war der Engel Daniel, der in Himmel über Berlin aus Liebe zu den Menschen auf die Unsterblichkeit verzichtet (1987, Regie Wim Wenders). Im Jahr 2000 spielte Bruno Ganz den traurigen Kellner in der vielfach ausgezeichneten italienischen Komödie Brot und Tulpen von Silvio Soldini – und Ganz' gar wundersames Italienisch hatte man lange im Ohr. 2004 war seine Verkörperung des Diktators Adolf Hitler in Der Untergang nach seinen eigenen Worten ein Einschnitt in seinem künstlerischen Wirken, der von der Presse überwiegend als überragend bezeichnet wurde.
Im Festspielsommer 2018 hätte bruno Ganz noch einmal in Salzburg auf der Bühne stehen sollen, in einer Sprechrolle in Mozarts „Zauberflöte“. Auch eine Lesung an der Seite von Edith Clevers konnte der von seiner Krebserkrankung da schon Gezeichnete nicht mehr wahrnehmen.
Seit 1996 war Bruno Ganz Träger des Iffland-Rings (vermacht durch Josef Meinrad). Ganz wollte dem Vernehmen nach Gert Voss mit dieser Auszeichnung beehrt wissen, aber der ist vor fünf Jahren schon gestorben. Wen er tatsächlich testamentarisch verfügte, wird man erst nach dem Begräbnis des Schauspielers erfahren. Beim Bundestheaterverband bzw. im Unterrichtsministerium liegt das Schreiben, hoffentlich ist es gut abgelegt (nach dem Tod von Josef Meinrad hatte es zwei Tage gedauert, bis sich die Verfügung des Verstorbenen doch noch fand). (PSF/dpk-krie)