Aus einem langen Leben für die Musik
TODESFALL / PAUL ANGERER
01/08/17 Lang ist's her, da war Paul Angerer, Geiger/Bratschist, Dirigent und Komponist, in Salzburg tätig: Von 1967 bis 1972 war er Opernchef am Landestheater. Für die Festspiele schrieb er Bühnenmusiken (unter anderem für den „Jedermann“).
Von Reinhard Kriechbaum
Kürzlich ist Angerer im Alter von 90 Jahren in Wien verstorben. Viel hat er gemacht in seinem langen Leben – „83 Jahre Musik, 75 Jahre musikalisch beruflich tätig“, wie er in seiner Kurzbiographie für Radio Klassik Stephansdom schrieb. Kein Klassik-Hörer wird seine Stimme nicht im Ohr haben, hat er doch für Ö1 nicht weniger als 480 Sendungen „Pasticcio“ moderiert (und dann seine musikalische Plauder-Reihe als „Cappriccio“ für Radio Klassik Stephansdom weitergeführt, auch das an die dreihundert Mal).
Angerer in der Selbstbeschreibung: „Begonnen als 13jähriger Organist und Chorleiter an der Kirche St. Thekla auf der Wieden (der Kreis schließt sich: 2013 wurde ich für ein Jahr „Teilzeit“-Organist in der Pfarrkirche Unternalb). Fürs Medium Radio war er tätig als Konzertmeister der Rundfunkspielschau, als Bratschist im Swoboda-Quartett vor allem für die „Moderne Stunde“ um 23 Uhr; als Komponist für Hörspiele, als Dirigent des Radio Sinfonieorchesters.“
Im russisch-tschechischen Kriegsgefangenenlager in den ehemaligen Baracken des KZ Auschwitz verfasste der 1927 in Wien Geborene in der Zeit von Juni bis August 1945 sein erstes musiktheoretisches Werk „Über die geheimnisvollen Zusammenhänge in der Musik, in der Kunst im allgemeinen (Auschwitzer Musikgeschichte)“, das er auf leeren Papiersäcken niederschrieb.
In den 1950er Jahren war er Solobratschist bei den Wiener Symphonikern, von 1956 bis 1963 wirkte er als Chefdirigent des Kammerorchesters der Wiener Konzerthausgesellschaft. 1960 wurde Angerer Komponist und Kapellmeister am Wiener Burgtheater und bei den Festspielen in Salzburg und Bregenz. Bonn, Ulm und Salzburg waren Stationen als Operndirigent. Anschließend war er Leiter des Südwestdeutschen Kammerorchesters und unterrichtete von 1982 bis 1992 als Professor an der Wiener Musikhochschule. Ab 1982 leitete er das gemeinsam mit seinem Sohn Christoph gegründete Kammerorchester „Concilium musicum“.
Als Komponist war er geprägt von Paul Hindemith. Vor allem hat man Angerer als einen in Erinnerung, der gerne regionale Musikgeschichte erkundete und vermittelte, sich in diesem Sinne als Musiker für rare Werke begeisterte und eben vortrefflich lebendig davon zu erzählen wusste. Zitate aus Mozart-Briefen hatte er als Moderator immer parat – kein Wunder, hat er doch auch drei Bücher über „Mozart auf Reisen“ herausgebracht.
Bild: Concilium musicum Wien