Aus der Unterwelt von Mülln
REPORTAGE / MÜLLN / COLUMBARIEN
08/04/10 Der Tag des Jüngsten Gerichts darf kommen: Die auferstandenen Seelen aus den Müllner Columbarien werden draußen im Tageslicht als erstes an den in die Wand eingelassenen Grabsteinen zweier hier tätig gewesener Bierbrauer vorbeikommen. Das wird gute Erinnerungen wecken. Und die Optimisten haben es sowieso immer schon gewusst: Es gibt ein Bier nach dem Tod.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Columbarien selbst waren Klosterangehörigen vorbehalten: für gut 230 Jahre den hier ansässigen Augustiner-Eremiten. Danach jenen Benediktinermönchen von Michaelbeuern, die seit 1835 als Seelsorger hier tätig sind. Nicht jeder Todesfall war so dramatisch wie jener eines gewissen Amandus Hietl, der ein Opfer der napoleonischen Landnahme geworden ist: Er wurde, wie die lateinische Inschrift verrät, tot im Bett aufgefunden, erstickt durch den Rauch eines Brandes, den französische Soldaten "an verborgenen Stellen im Kloster" gelegt hatten. Zum eingemeißelten "requiescat" muss man ihm von Herzen ein "in pace" wünschen.
Die sechzehn Meter lange Mönchsgruft, ziemlich genau unter dem Mittelgang zwischen dem Gestühl in der Müllner Kirche, zugänglich vom ehemaligen Friedhof aus, ist restauriert worden. "65.000 Euro hat die Restaurierung gekostet", sagt Pater Franz Lauterbacher, allein 21.000 Euro die Steinplatten. Am kommenden Sonntag (11. April) werden die Columbarien neu gesegnet und zu diesem Anlass öffentlich zugänglich sein. Danach nur noch im Rahmen von Führungen.
Von verdienten geistlichen Herren erfahren wir, aber auch von den dienstbaren Geistern, die als Fratres hier lebten. Der "Praxator" Florianus Hengg war wohl ein Handwerker. Vom frommen Bruder Jakob Aumüller meldet die Inschrift "ein Koch" und auch Augustin Kappeller ist als "gewester Küchenmeister im Kloster" verbucht. Ignatius Dautermann hat es als Komponist wirkungsvoller Trompetenaufzüge in die Salzburger Musikgeschichte und seine Werke in eine moderne Notenausgabe gebracht. Wer hinter der Platte mit dem auffallenden Figurenschmuck ruht, können wir leider nicht mehr lesen - aber der auf die Holztafel gemalte Knochenmann mit Sanduhr und Sichel macht schon was her.
1946 ist der letzte Müllner Benediktiner hier zur letzten Ruhe gebettet worden. Die sechzig Columbarien hatten im Lauf der Jahrhunderte mehrere Bewohner, darum ist manche Grabplatte nun im Fußboden eingelassen. Andere verschließen die Nischen, in die einfache Holzsärge geschoben wurden. 171 Patres und Fratres der Augustiner Eremiten sowie zwölf Benediktiner wurden hier bestattet. Sie alle hat Adolf Hahnl erforscht und als Hauptautor einer Festschrift dokumentiert: Basisarbeit zur lokalen Kirchengeschichte. Auch Grabsteine vom ehemaligen friedhof rund um die Kirche und in der Kirche selbst wurden dokumentiert. Die älteste Grabplatte an der Südseite der Kirche zeigt einen Gekreuzigten. Sie stammt von 1537, galt dem Grab eines Müllner Pfarrers noch weit bevor der Komplex in ein Kloster umgewandelt wurde.
Columbarien - hinter dem Wort steckt "Columba", die Taube. Die Assoziation "Taubenschlag" ist plausibel und sie klang den Hinterbliebenen irgendwie freundlicher in den Ohren als "Grab". Das war schon bei den Römern so, die sich das versöhnliche Wort für Begräbnisstätten ausgedacht hatten.
Sehr unterschiedliche Dinge waren zu restaurieren, erzählt Pater Franz im DrehPunktKultur-Gespräch. Nicht nur Steinplatten mit Inschriften und Gravuren. Viele der Grabnischen tragen auch nur eine schlichte schwarze Holztafel mit gemalter Inschrift. Der Altar aus Untersberger Marmor ist auch wieder hergerichtet worden, und natürlich auch das Alötarbild, das sehr stimmig und positive Gefühle suggerierend die Auferweckung des Lazarus zeigt.
Und der Baumeister der Müllner Columbarien? Es war jener Sebastian Stumpfegger, von dem auch das Kirchenportal und die Klosterfassade stammen. Salzburg-Kenner spitzen bei dem Namen die Ohren. Ja, es ist tatsächlich jener Mann, der vier Ehefrauen und mehrere Kinder verloren hat und - fälschlicherweise wohlgemerkt - als "Salzburger Blaubart" zu zweifelhaftem Ruhm gekommen ist. Die Grabkreuze jedenfalls stehen in St. Peter an auffälligem Ort.