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Die Ambitionierten gehen auf Schulterschluss

HINTERGRUND / LEHEN / RAUCHMÜHLE

04/05/15 Es gibt Menschen, denen der Stadtteil Lehen nicht egal ist. Vor allem ist ihnen nicht wurscht, was demnächst auf dem Areal der so genannten Rauch-Mühle passiert. Sie haben die überparteiliche Experten-Initiative „Um+Bau+Kultur Salzburg“ („UBK Salzburg“) gebildet und einen offenen Brief an alle maßgeblichen Politiker in Stadt und Land Salzburg gerichtet.

Von Reinhard Kriechbaum

Anlass: Demnächst wird die Jury tagen und beschließen, was dort errichtet werden soll. Die Vorwürfe der „UBK Salzburg“ sind erheblich, sie füllen gleich einen neunseitigen Brief: Man stößt sich schon an der Präambel des Projektentwicklers Prisma, laut der Lehen „mit einem identen lebendigen Stück Stadt“ bereichert werden solle. Nein, halten die Experten entgegen: Nicht um etwas „Identes“ müsse es gehen, sondern um lebenswerte Vielfalt, sprich Eigenart. Um ein „lebendiges Stück Stadt, das die identitätsstiftenden Qualitäten des historischen, in Salzburg einzigartigen Industrieensembles mit dem alten Silogebäude als markante Landmark für den Süden des Stadtteils, weiterentwickelt.“

Der Experten-Initiative „UBK Salzburg“ gehören Architekten, Kunsthistoriker, aber auch ein Biologe an. Wortführer nach außen sind der Architekturhistoriker Norbert Mayr, Jana Breuste (die sehr genau geforscht hat über die Gebäude auf dem Rauchmühlen-Grund) und der Architekt Uli Staebner. Schon in den Basics, also im Masterplan, finden sie „eklatante Fehler“ wie falsche Gebäudemaße oder fehlende Nachbarabstände zum Grünland. „Trotzdem wird den Wettbewerbsteilnehmern dringend nahegelegt, den Masterplan als Grundlage ihres Projekts zu verwenden.“ Dieser unausgegorene Masterplan mit „äußerst wenig Spielraum für kreative Kompetenz“ potentieller Architekten sowie der geplante Abriss des Silos aus dem Jahr 1912 machen „das Szenario der Projektenwickler PRISMA zur realistischen Bedrohung.“

Schon in den 1980er und 1990er Jahren seien nicht nur das Wohn- und Bürogebäude der Rauchmühle als unbedingt erhaltenswert gewertet worden, sondern bald auch ist auf den Eigenwert der gesamten Gebäudegruppe als „Ensemble Gailenbachweg“ hingewiesen worden. Das Gebäude der alten Mühle sei damals, 1995, auf den Status "erhaltungswürdig" (Kategorie 2) hochgestuft worden. Ein besonderer Bau ist das Holzsilo-Gebäude von Ambrogio Crozzoli aus dem Jahre 1912.

Das von Jakob Ceconi 1898 errichtete Wohn- und Bürogebäude wurde 2002 schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Es sei, so die Fachleute, „als seltenes Beispiel von repräsentativer Villenarchitektur zwar der architekturgeschichtlich, nicht aber industriegeschichtlich bedeutendste Bauteil im Gebäudekomplex der Rauchmühle.“ Im Gebäudekonglomerat spiegle sich der Weg von der Kunstmühle zur Groß- bzw. Industriemühle: „Ein eigenes, besonders Kapitel menschlichen Erfindergeistes.“ Die Rauchmühle war der einzige Mühlbetrieb des Landes Salzburg, dessen Produktion industrielles Ausmaß erreichte. Nach dem Abbruch des Gaswerks komme ihr besondere stadtteilgeschichtliche Bedeutung als Reminiszenz an die gründerzeitliche Industrialisierung in Lehen zu.

Restrukturierungsvorschlag und ein Leitbild/Masterplan seien schon vorgelegen, bevor die Kunsthistorikerin Jana Breuste 2014 beauftragt wurde, ein bauhistorisches Gutachten zu erstellen, klagt jetzt die („UBK Salzburg“. Ein gravierender Vorwurf: Die Studie sei durch diese voreilig durchgeführten und kostenintensiven Planungen zu einem Papier geworden, „das allenfalls Kompromisse erzielen kann, nicht aber den Ausgangspunkt der Ideenfindung bildete“. Die Studie sei den Wettbewerbsteilnehmern lange vorenthalten worden. Es liege der Verdacht nahe, dass sie ob ihrer „unangenehmen“ Ergebnisse schubladisiert hätte werden sollen.

Eingehend geht die Initiative „UBK Salzburg“ auf Vorgaben zu Geschoßhöhe und Verbauungsdichte ein, auch auf die zu erwartenden Bewohnerzahlen, die wiederum auf die unterirdischen Parkflächen durchschlagen. Fünf Geschoße oder gar acht? In Summe bleibe den Architekten bei solcher Dichte nur wenig Spielraum, um orts-spezifische Lösungen anzupeilen. „Ein Scheitern ist vorprogrammiert“ heißt es in dem Offenen Brief.

Ein konkretes Beispiel: „Die ‚Lebensader‘ der Mühle war der unterirdisch geführte Mühlbach (Werksbach), der in seinem angestammten Kanal zentral das Gelände durchschneidet. Dieser soll nun verlegt werden. Durch die übermäßigen Verdichtungsszenarien ober- und unterhalb der Erdoberfläche (z.B. großflächigste Tiefgarage) verrannten sich Auslober und Stadt in absurde Widersprüche: Die sinnvolle Stellungnahme des Baurechtsamtes einer 2625 m² großen, ostseitigen Bauverbotsfläche zum Baumschutz wird seitens des Projektentwicklers in der Ausschreibung bestätigt, da PRISMA ‚die Möglichkeit der Bachführung‘ an der ‚Ostgrenze des Bauplatzes aufgrund des dort befindlichen besonders erhaltenswerten Baumbestandes‘ ausschließt. Trotz dieser Einhelligkeit wurde den Architekten zwei Monate nach Ausschreibungsbeginn mitgeteilt, dass der Werksbach in diesen doppelt ausgewiesenen Tabubereich gelegt werden soll. Damit würden sowohl der wertvolle Baumbestand wie auch die Logik des Werksbachs verloren gehen.“

Die Politiker werden in dem Offenen Brief an ältere Ideen erinnert: „1998 plante die Stadt im Entwicklungskonzept ‚Projekt Stadt.Raum‘ öffentliche Freizeitflächen auf dem Stadtwerkeareal sowie nach der Absiedelung der Rauchmühle einen Freizeitpark mit Wasserspielplatz und Mühlenrad, eine BMX-Cross-Strecke sowie eine Arena als Skater-Asphaltfläche. Bei den Stadtwerken wurde das Zukunftsszenario, mit dem Areal die im Süden Lehens fehlenden Freiflächen für die Bevölkerung zu kompensieren, gänzlich aufgegeben und im direkten Gegensatz dazu eine unangemessene Dichte realisiert. An der Glan wurde ein Teil des schmalen, von Bäumen und Sträuchern gesäumten Fußweges bereits durch die dicht an das Ufer herangebauten Wohnhäuser Zaunergasse zerstört. Das ist nun auch nördlich der Bahn beim Rauchmühlenareal zu befürchten.“

Um die Wohnungsnot in Salzburg wissen natürlich auch die Leute der UBK, aber sie könne „nur im Kontext der Stadtregion umfassend und erfolgreich bekämpft werden“. Im Fall der Rauchmühle sei die Wohnungsnot „ein fragwürdiges Totschlagargument“. Jede noch so hohe wie qualitätslose Nachverdichtung „im Zeichen von Profit- und Wohnflächenmaximierung“ werde damit gerechtfertigt.

Dem „intransparenten Kuhhandel“ zwischen Bauträger und Stadt und den „mehr als ausgereizten Wettbewerbsvorgaben“ stellt die Initiative UBK Salzburg konkrete Forderungen entgegen: Die sich am Areal Zaunergasse (jenseits der Bahngeleise) orientierenden Dichte von 1,34 will man auf 1,15 reduziert wissen, die bebaute Fläche auf 14.226 m². 182 Wohnungen seien „das absolute Maximum an diesem Ort und nur denkbar, wenn durch ein zeitgemäßes Mobilitätskonzept die Verkehrsbelastung massiv reduziert werden und ein Modellprojekt für verkehrsreduziertes Wohnen entstehen kann.“

Die Mitglieder der Experten-Initiative „Um+Bau+Kultur Salzburg“:
Norbert Mayr, Freier Architekturhistoriker, Stadtforscher
Jana Breuste, Freie Architekturhistorikerin, Lehrbeauftragte für Bauen im Bestand an der Universität Innsbruck Abteilung Baugeschichte
Bernhard Rihl, Bürgerbeteiligungsexperte und Architekt
Uli Staebner, Architekt
Hannes Augustin, Biologe
Sigrid Brandt, Universität Salzburg, Abteilung Kunstgeschichte
Gertrud Frauenberger, Coaching Supervision
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ; Tel. 0699 / 12708526 (Norbert Mayr), 0660 7655178 (Jana Breuste), 0650 4442352 (Uli Staebner)
Präsentation des Siegerprojektes vom Architektenwettbewerb „Rauchmühle“: Donnerstag (7.4.), 18 Uhr, Stadtwerk-Hochhaus
Bilder: Jana Breuste (1); dpk-krie (4)
Zum Kommentar Vom Mehl zur Kohle
Der Offene Brief der "UBK Salzburg" im Wortlaut
Zu den historischen Untersuchungen von Jana Breuste: Vom Mühlrad zur Kunstmühle
und Es ginge um ein Stück Lehen-Identität

 

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