Nur wohnen oder auch leben in der Kaserne?
HINTERGRUND / STADTPLANUNG / RIEDENBURG
09/12/13 Morgen Dienstag (10.12.) ist nicht wirklich ein Stichtag, aber eine wichtige Weichenstellung wohl in Sachen Innenstadt-Entwicklung: Da dürfen die 17 nach einer Bewerbung ausgewählten Architektenteams den Eigentümen und den Juroren des zur Verbauung anstehenden Riedenburg-Areals Fragen stellen.
Von Reinhard Kriechbaum
Die ist nun auf den ersten Blick vor allem für die Architektenzunft von Belang und für jene, die mit dem Bauen Geschäfte machen. Die ARGE Riedenburg – der Architektur-Historiker Norbert Mayr, Roman Höllbacher und Udo Heinrich (Initiative Architektur) und Tom Lechner (Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, Salzburg) – warnen in einem umfangreichen Statement davor, dass hier so etwas wie eine maximal verdichtete Wohn-Schlaf-Burg entstehen könnte. „Das Areal ist stadthistorisch bedeutsam und eine der letzten bebaubaren zentrumsnahen Flächen in der Stadt“, schreiben sie.
In der Ausschreibung des Verbauungsprojekts heißt es: „Ziel des Projektes ist es auf dem rund 3,7 ha umfassenden Areal, ein lebendiges, attraktives und zeitgemäßes städtisches Wohn-Quartier zu schaffen, das einen angemessenen Eingang zur Innenstadt der Weltkulturerbestadt Salzburg darstellt und sich durch seine Nutzungsmischung, seine städtebauliche Form und seine differenzierte architektonische Qualität mit der gewachsenen Struktur des Stadtteils Riedenburg vernetzt und ebenso eigenständig einen urbanen lebenswerten Raum bildet.“
Dem stimmt die ARGE Riedenburg grundsätzlich zu, ortet aber Fußangeln „im Kleingedruckten“: „Geschäftsflächen, Büroräumlichkeiten und Kindergarten gibt es nur im schmalen Streifen an der Neutorstraße und zufällig, weil im Süden des Areals ein aufrechtes Mietverhältnis mit einem Autohaus besteht.“ Der Rest sei „zu 100 Prozent reines Wohnen“. Wohnungen würden damit auch in der Erdgeschoßzone geplant, „genau dort also, wo sie in einem Innenstadtquartier meist nichts verloren haben“. In weiten Teilen werde die ehemalige Riedenburgkaserne dann „monofunktional genutzt“, und das sei „das Gegenteil von Lebendigkeit, Offenheit und Attraktivität.“
„Statt dem Kasernenverwerter Geld in den Rachen zu werfen, kann durch die Rückkehr zur baulichen Ausnutzung laut Kaufvertrag ein durchmischtes und lebendiges Quartier entstehen“, wünscht sich die ARGE Riedenburg. Entlang der „Durchwegungen“ sollten „die Sockelgeschoße aufgeständert werden, in diesen geschützten Freibereichen können kostenneutrale Nutzungen – z.B. Märkte – positives für Quartier und Stadtteil leisten.“
Was die ARGE Riedenburg elemantar vermisst und sie eine „0815-Wohnanlage“ mit viel zu dichter Bebauung befürchten lässt: Historischen Aspekten werde zu wenig Augenmerk geschenkt. Im Auftrag der Stadt hätten bereits vor mehreren Jahren „kompetente Wissenschaftler“ das Hauptgebäude der Kaserne und das Nachbarhaus an der Moosstraße, das ursprünglich den Turn- und Fechtsaal aufnahm (beide um 1890) sowie die Reithalle (1926) als erhaltenswert eingestuft. Zudem sei die traditionsreiche Kaserne als Ensemble gewürdigt worden, betont die ARGE Riedenburg. Freilich: „Der entsprechende Erhebungsbogen ist nicht auffindbar, bei der Erstellung des Bebauungsplans wurden die drei Erhaltungsgebote ignoriert.“
Auch andere Bauwerke wie jene der 1930er Jahre im Nordwesten des Areals böten laut ARGE Riedenburg durchaus Potenziale für ein intelligentes Weiterbauen. „Die Bauträger wollen aber das genaue Gegenteil, einen primitiven Totalabbruch und Neubebauung einer leeren Fläche.“
Die Biedermeiervilla auf dem Areal ist denkmalgeschützt. Anders steht es um die Riedenburghalle von 1926. Ob integrieren oder abbrechen, hängt von den konkreten Plänen ab, die da kommen sollen. Der Gestaltungsbeirat hat „Nutzungskonzepte“ angeregt. Die ARGE Riedenburg sieht in der vernachlässigten, historisch aber bedeutsamen Riedenburghalle ein Raumpotenzial, das sich als „Identifikationspunkt“ für ein Weiterbauen am Stadtteil geradezu aufdränge.
Die Riedenburghalle wurde von Stadtgemeinde Salzburg als Ersatz für die zum Festspielhaus umgebaute Winterreitschule in der Hofstallgasse finanziert, gebaut und dem Militär übergeben. Hier sei also nach Ansicht der ARGE Riedenburg ein „stadtgeschichtlich interessantes Identifikationspotenzial vorhanden, das nicht einer ‚Tabula rasa‘-Mentalität zum Opfer fallen“ dürfe.