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Vom „Dollarflitscherl“ zum „pregnant Fräulein“

HINTERGRUND / KINDER VON BESATZUNGSSOLDATEN

10/10/13 „Amischickse“ oder „Dollarflitscherl“ haben sich jene jungen Österreicherinnen schimpfen lassen müssen, wenn sie sich mit einem Besatzungssoldaten aus den USA einließen. Fünf Prozent der GIs waren dunkelhäutig – und dann war „Schokoladenmädchen“ als Schimpfwort nicht selten.

Von Reinhard Kriechbaum

033Es ist eines der Tabu-Themen der Zeitgeschichte: das Schicksal der Besatzungskinder. Vor allem jener, deren Väter dunkelhäutig waren. Zu fest noch war die Rassen-Ideologie in den Hinterköpfen – und eben nicht nur dort – verankert. Um welche Zahlen geht es? Nach einem Bericht aus dem Jahr 1955 sollen in Salzburg 1.899 uneheliche Kinder einer Liaison von Österreicherinnen mit GIs der U.S. Army entstammen. Hinter dieser quasi „offiziellen“ Zahl steht vermutlich eine deutlich höhere Dunkelziffer. Geht man von einem Anteil von fünf Prozent an dunkelhäutigen Soldaten in der amerikanischen Armee aus, so wird es in Salzburg gewiss mehr als hundert „Negerkinder“ gegeben haben.

In einem einschlägigen Zeitgeschichte-Forum kann man nachlesen, dass die Psychologie das Ihre beitrug zu diesen Verbindungen:  „Dieses besondere Verhältnis zu Afroamerikanern in Uniform erklärt sich auch aus deren Stellung in der Armeehierarchie und in der amerikanischen Gesellschaft: Die Österreicher, die sich durch die Niederlage des Nationalsozialismus und die alliierte Besatzung gedemütigt fühlten, identifizierten sich leichter mit jenen Truppenteilen, die selbst das niedrigste Sozialprestige aufwiesen.“

Das Schicksal der meisten dieser Mischlinge: Heimunterbringen, Freigabe zur Adoption im Herkunftsland ihrer Väter. Genaue Zahlen sind noch nicht erforscht, so das denn überhaupt möglich wäre.

Mehrere wissenschaftliche Projekte laufen derzeit in diese Richtung. Das Ludwig Boltzmann-Institur für Kriegsfolgenforschung sucht beispielsweise Betroffene, die von ihren Erfahrungen – und den psychischen Folgen bis heute – berichten. „Formen der Identitätsentwicklung und Stigmatisierung sowie die psychosozialen Aspekte des Aufwachsens als Besatzungskind stehen dabei im Vordergrund. Dies soll dazu beitragen, Transparenz für das Thema in der Öffentlichkeit zu schaffen und die Situation von "Kindern des Krieges" auch in aktuellen internationalen Krisengebieten zu verbessern“, heißt es in einer Presseaussendung von heute Donnerstag (10.10.)

034In der Geschichte der Kriege wurden schon immer Kinder geboren, die von ausländischen Soldaten mit einheimischen Müttern gezeugt wurden. Dennoch gibt es nur wenige Themen, über die so beharrlich geschwiegen wird. Es geht sowohl um Kinder, die aus Vergewaltigungen entstanden, als auch um jene, die aus mehr oder weniger freiwilligen Beziehungen mit Besatzungssoldaten  hervorgegangen In Österreich kamen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen in Österreich mindestens 20.000 solcher Kinder auf die Welt. Sie galten vielfach als "Kinder des Feindes", obwohl die Väter de jure keine Feinde mehr waren.

Barbara Stelzl-Marx leitet das Projekt des Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung: „Die Spurensuche über diese ‚unsichtbare Generation‘ soll das vielfach bis heute tabuisierte Thema der Öffentlichkeit zugänglich machen und eine Lücke in der Zeitgeschichteforschung schließen.“

„Was wir damals an Negerkindern gehabt haben – schrecklich“, erzählte einmal eine pensionierte Kinderkrankenschwester der Salzburger Historikerin Ingrid Bauer, die über Geschlechtergeschichte in der Nachkriegszeit forscht. Speziell Kindern dunkelhäutiger Besatzungssoldaten gilt ein an der Universität Salzburg angesiedelte Projekt „Lost in Administration“. Das anfangs bestehende Fraternisierungsverbot für Gis wurde ab Oktober 1954 gelockert. Nicht zuletzt die materielle Besserstellung der Soldaten der Besatzungsmacht bedeutete eine Verlockung für österreichische Mädchen.

Konnten Frauen, die von Soldaten schwanger wurden, seitens der USA irgendwelche Unterstützung erhoffen? Die meisten Mütter waren ja über kurz oder lang Alleinerziehende, weil die Soldaten wieder abgezogen wurden. Wohin – darüber rückte die US-Army gegenüber den Müttern keine Informationen heraus. Fast ein Hohn der Hinweis in der Armeezeitung „Stars and Stripes“ vom April 1946 : „Pregnant Fräuleins“ dürften sich keine Unterstützung von den Militärbehörden erwarten: „Ein ‚Kraft-durch Freude‘-Mädchen, das von der verbotenen Frucht gekostet hat, muss die Konsequenzen selbst auf sich nehmen.“

Die Befragung von Betroffenen im Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung erfolgt in schriftlicher Form, potentielle Teilnehmer sind eingeladen, sich zu melden: Tel. 0316 822500, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! - www.bik.ac.at
Projekt „Lost in administration“ an der Universität Salzburg: www.afroaustria.at
Ein einschlägiger Bericht im Internet-Forum www.unterirdisch-forum.de
Bilder: im Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung  (1); Lost in Administration (1)

 

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