Ein zäher Kampf dem Verdrängen
SALZBURGER BÜCHERVERBRENNUNG
17/04/13 Am 30. April 1938 wurden auf dem Residenzplatz Bücher verbrannt. Heuer jährt sich die „Salzburger Bücherverbrennung“ zum 75. Mal. Institutionen wie Universität und Universitätsbibliothek, Stolpersteine, Literaturhaus, Schulen, IG-Komponisten, Friedensbüro oder Jugendrotkreuz haben sich zur Initiative „Freies Wort“ zusammengeschlossen und veranstalten einen gemeinsamen Aktionstag am 30. April.
Von Heidemarie Klabacher
„Wir leben seit fast siebzig Jahren ohne Krieg. Wir leben in einer Demokratie. Wir leben in Freiheit. Wir haben auch die Freiheit, das Nachdenken über die Vergangenheit, nicht der Politik zu überlassen.“ Das sagte der Historiker Albert Lichtblau heute Mittwoch (17.4.) bei der Präsentation des Programms zum Gedenktag „75 Jahre Salzburger Bücherverbrennung“.
Am 30. April 1938 wurden in Salzburg auf dem Residenzplatz Bucher verbrannt. Fast fünfzig Jahre lang wurde diese Ungeheuerlichkeit erfolgreich aus dem kollektiven Gedächtnis der Mozartstadt verdrängt. 1987 erinnerte erstmals die „Salzburger Autorengruppe“ mit einer Gedenkveranstaltung daran, der Autor Erich Fried sprach damals von der „Vernichtung des Buches als einem symbolischen Zeichen der Auslöschung von Geist, Freiheit und Emanzipation“. Erst weitere zwanzig Jahre später, 2007, gab es wieder eine Gedenkveranstaltung auf dem Residenzplatz. Die Rede hielt der Autor Robert Schindel, der mahnte, über dem Aufarbeiten der Vergangenheit nicht die Gräuel der Gegenwart zu verdrängen: „Hier stehen wir und gedenken der Bücherverbrennung, indes ununterbrochen in vielen Teilen der Welt Menschen verbrannt werden. Achten wir darauf, dass jene Symbolakte uns nicht und nie den Blick verstellen für die aktuellen Barbareien, die unter unseren Augen geschehen.“
Es habe auch mehrere kleinere Bücherverbrennungen gegeben, wie etwa in Thalgau, das werde zurzeit erforscht, berichtet Albert Lichtblau vom Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte. Aber in der Stadt Salzburg fand die einzige große Bücherverbrennung nach dem Vorbild der Deutschen Bücherverbrennungen statt, „symbolisch mitten in Salzburg, vor dem Dom“.
Kaum rühmlicher als die Vergangenheit, ist der Umgang der politischen Verantwortlichen mit dieser Vergangenheit in der Gegenwart: Man erinnere sich nur an das Hickhack um die Errichtung eines Denkmales, das an die Salzburger Bucherverbrennung erinnern sollte, erinnere sich, dass schon einmal von einer „Lichtskulptur“ auf dem Residenzplatz sehr konkret die Rede war. Die Tafel, die seit 2011/12 an der Michaelskirche am Residenzplatz angebracht ist, läst sich bequem übersehen. Über das Mahnmal von Zoltan Pap im Innenhof der Universitätsfachbibliothek im Unipark Nonntal stolpert man auch nicht so leicht. Und das Mahnmal am Bahnhof hält man nach wie vor eher für einen Fahrradunterstand, als für eine Gedenkstätte. „Das Erinnern braucht eine Öffentlichkeit. Es müssen sich Menschen verantwortlich fühlen, wie man damit umgeht.“
In diesem Sinne haben sich 2011 unter der Federführung von Tomas Friedmann, Inge Haller, Albert Lichtblau und Karl Müller zahlreiche Salzburger Kultur- und Bildungseinrichtungen und engagierte Personen zur Initiative „Freies Wort“ zusammengeschlossen. „Aus einer Idee wurden 22 Aktionen“, fasst der Historiker Albert Lichtblau zusammen.
Schon seit 5. April zeigt die Universitätsbibliothek in der Hofstallgasse die Fensterausstellung „… gegen das Vergessen“. Heute Donnerstag und morgen Freitag (18./19.April) werden weitere 49 „Stolpersteine“ verlegt (DrehPunktKultur berichtete). Bis 29. April finden Ausstellungseröffnungen, Lesungen und Vorträge statt. Am Aktionstag selber, dem 30. April, sendet die Radiofabrik ab 7 Uhr ein zwölfstündiges Spezialprogramm zum Thema Nationalsozialismus. Die Veranstaltungen in der Stadt beginnen um 9 Uhr mit einer Menschenkette zwischen Universitätsbibliothek und Residenzplatz, gebildet wird die Kette von Schülerinnen und Schülern, von Studenten - und von allen, die spontan mitmachen wollen.
Das Erinnern hat in Salzburg einen Vater, den Historiker Gert Kerschbaumer. Daran erinnerte der Germanist Karl Müller beim Pressegespräch: dass in Salzburg das „Erinnern“ überhaupt in Gang gekommen konnte; dass man 1987 Erich Fried zu einer Gedenkveranstaltung eingeladen hat; überhaupt das Wissen um die historischen Fakten: All das basierte auf der tausend Seiten starken von Ernst Hanisch betreuten Dissertation von Gert Kerschbaumer, die im Jahr zuvor an der Universität Salzburg herausgekommen sei, so Karl Müller. Auch eine zweistündige Rundfunksendung von ihm und Kerschbaumer habe seinerzeit dazu beigetragen, dem Thema erste Öffentlichkeit zu verschaffen. „Dann folgen zwanzig Jahre öffentliches Schweigen bis zur Gedenkstunde am Residenzplatz 2007.“
Dass aus diesen punktuellen Erinnerungsakten eine kontinuierliche Erinnerungskultur werde - das ist denn auch das Ziel der Initiative „Freies Wort“. Die Initiatoren wollen aus Salzburg einen Ort machen will, „an dem kontinuierlich daran erinnert wird, dass Emanzipation, Fortschritt und Utopie sich nur in Freiheit entwickeln können“.