Kunstlehrer müssen auch wirklich etwas können
HINTERGRUND / UNIVERSITÄT MOZARTEUM
12/12/12 SOMA: In diese Abteilung würde man im Spital jemanden schicken, den’s im Magen ernsthaft erwischt hat. Auch an der Universität Mozarteum drückt viele Verantwortliche der Magen. Jene nämlich, die Kunst-Lehrerinnen und -Lehrer ausbilden und größte Bedenken haben angesichts ministerieller Pläne, auch diese Sparte in die Pädagogischen Hochschulen abzusiedeln.
Von Reinhard Kriechbaum
„Wer Kinder und Jugendliche zur Kunst verführen will, muss eigene Fähigkeiten in die Waagschale legen können“, sagt Mozarteums-Rektor Reinhart von Gutzeit. Soll heißen: Mit Pädagogik allein ist’s nicht getan im Musikunterricht und beim Vermitteln von Bildender Kunst. Letztlich entscheidet das Vorbild, das Können, und wie die Lehrenden selbst mit künstlerischen Dingen umgehen.
Ein alter Hut? Freilich. Aber es braucht akut eine neue Hut-Kreation, weil unter dem Schlagwort „Lehrerausbildung neu“ gerade diese „angewandten“ Kompetenzen offenbar zur Disposition stehen. Bei der politischen Diskussion ortet Reinhart von Gutzeit wenig Inhaltliches. Sein Eindruck: „Es läuft auf Stärkung der pädagogischen und sozialen Kompetenzen zu Ungunsten der fachlichen Ausbildung hinaus.“ Gutzeit mit entwaffnender Direktheit: „Denken Sie zurück an Ihre Schulzeit: „Was hat Sie mehr begeistert, ein Mensch mit künstlerischer Ausstrahlung oder didaktische Modelle?“
Der Mozarteums-Rektor betont, dass es keineswegs darum geht, das Revier zu sichern „und Pfründe zu verteidigen“. Aber gerade die Arbeit der Musiklehrer und Kunsterzieher bilde die Basis für das Kulturleben im Lande. „Darum sind die Kunstuniversitäten sehr wohl ein Platz, wo pädagogische Ausbildung verortet sein muss.“
SOMA heißt also das neue Kind an der Universität Mozarteum. Hinter den Buchstaben verbirgt sich "School of Music, Arts & Education". Es ist keine neue Abteilung, nichts wirklich institutionell Verankertes, sondern erst mal eine schöne Graphik, aus der man herauslesen kann, was die Universität Mozarteum alles in Sachen Kunstpädagogik anzubieten hat. Entsprechend mächtig war auch die Phalanx an Professores, die der Rektor am Mittwoch (12.12.) für ein Pressegespräch zusammengetrommelt hat. Monika Oebelsberger (Musikpädagogik), Martin Losert (Instrumental- und Gesangspädagogik), Sonja Stibi (Elementare Musik- und Tanz-Pädagogik am Orff-Institut). Und dann noch von der Kunst-Fraktion Dieter Kleinpeter (Malerei), Christa Pichler-Satzger (Textiles Gestalten), Franz Billmayer (Kunstpädagogik) und Alfred Gilow (Werkerziehung): Sie alle sind in Kernbereichen für die – im Moment rund sechshundert – angehenden Lehrerinnen und Lehrer in den unterschiedlichsten Sparten und Schultypen im Einsatz.
Mit SOMA ist primär Vernetzung angesagt. „Dass wir Musiker mit Pädagogen aus dem Bereich der Bildenden Künste reden, ist neu“, sagt einer der Professoren. Genau das soll in Zukunft passieren. Und genau dafür wird das zuständige Ministerium – jenes für Wissenschaft wohlgemerkt – fürs Mozarteum rund 300.000 Euro mehr Budget springen lassen. Damit will man sich als vielfältige, gut aufgestellte pädagogisch/praktische Ausbildungseinrichtung positionieren. Nicht zuletzt um bessere Karten zu haben, wenn die eigentlich nicht so wirklich zuständige Unterrichtsministerin Claudia Schmid die Lehrerausbildung synchronisieren und bei den Pädagogischen Hochschulen beheimatet wissen will. Universitäts-Autonomie einerseits, andrerseits von der Ministerin festgeschriebene Lehrer-Curricula: Das passt in den Augen von Reinhart von Gutzeit nicht zusammen.
Die Lehrenden am Mozarteum führen gute Gründe ins Treffen, warum die Musik- und Kunstpädagogik bei ihnen in den besseren Händen sei. Monika Oebelsberger erzählt davon, wie auch angehende Mittelschullehrer im Studium immer wieder mit künstlerischen Projekten konfrontiert, in sie eingebunden werden. Der „Einblick für Schulmusiker in die Praxis ist wichtig“, sagt sie. „Es geht nicht zuletzt darum, eigene schöpferische Ressourcen wachzurufen und freizusetzen.“ Da spielt also wieder die Vorbildwirkung auf die Schülerinnen und Schüler hinein. Eigenes künstlerisches Tun der Lehrenden kann auch die Triebfeder sein für die ihnen anvertrauten Jugendlichen: „Das ist eine Frage der Authentizität“, sagt Kunsterzieher Franz Billmayer. „An der Universität Mozarteum haben wir diese Authentizität, die in den Pädagogischen Hochschulen erst erzeugt werden muss.“
Es seien jedenfalls „sensationell viele pädagogische Sparten“ (Oebelsberger) am Mozarteum vorhanden. Allein im Zusammenschreiben des Vorhandenen hat man da eine schöne Liste zusammengebracht. In Sachen Jugendchor kooperiert man mit den Sängerknaben. Elementare Musik- und Bewegungspädagogik ist seit je her im Orff-Institut das Kerngeschäft. Musik in der sozialen Arbeit, Kooperationen mit Stiftung Mozarteum und Biennale, das „Europäische Dissertantenkolloquium“ – das sind nur ein paar Schmankerl aus dem Angebot.
Neu dazu kommen soll eine „Plattform für kunstpädagogische Forschung“ (PKF), denn „angehende Lehrer müssen ja das nötige Rüstzeug haben“, sagt Monika Oebelsberger. „Sie müssen vierzig Jahre lang gewappnet sein für die didaktischen Herausforderungen und eigenständige Modelle entwickeln können.“
Ein Aspekt, den Martin Losert ganz am Rande anspricht, der aber bald zu einem pädagogischen Kernthema im Musikland Österreich werden könnte: Ganztagsschule und Instrumentalunterricht an Musikschulen. Das verträgt sich eigentlich ganz und gar nicht und wird jedenfalls neue Organisationsfomen voraussetzen. Gerade da wird man auch nach neuen pädagogischen Ansätzen suchen müssen, und die Lehrerausbildung wird auf mehr Duchlässigkeit (bei trotzdem hoher fachlicher Kompetenz am Instrument) hinzielen müssen.
Die SOMA-Präsentation an der Universität Mozarteum war jedenfalls ein Pressegespräch mit acht Fachleuten und mindestens zwei Dutzend spannenden Themenaspekten, die unmittelbar das Kulturland Österreich berühren. Es geht ja nicht nur um junge Menschen, die vielleicht in künstlerische Berufe starten. Das Publikum will ja auch erst „gebildet“ werden.