„Wohlfühlfaktor“ Baukunst?
HINTERGRUND / ARCHITEKTUR UND TOURISMUS
04/10/12 Müssen unsere Tourismus-Dörfer so aussehen, wie sie aussehen? Kann man ernsthaft der Verkitschung gegensteuern – oder ist diese ohnedies genau das, was die Gäste sehen wollen, ja erwarten? Das zweitägige Symposion „Länger zu Gast“ – es beginnt heute Donnerstag (4.10.) – versucht zu sensibilisieren und Bewusstsein für qualitätvolle Architektur zu wecken.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Initiative Architektur ist Veranstalter, im Schulterschluss mit der SalzburgerLand Tourismus GmbH (SLT) richtet sie das Symposion aus. Von beiden Seiten – aus der Perspektive der Baukunst als auch aus jener der Fremdenverkehrswirtschaft, hat man im Vorfeld Brainstorming betrieben und sich auch real umgeschaut und umgehört im Land.
Norbert Mayr ist Autor der Studie „Weiterbauen mit Bestand – Zeitgemäße Interventionen im Hotelbau in Salzburg“. „Der Hotel-Neubau ist die Ausnahme“, so das Ergebnis seiner Beobachtungen vor Ort. „Oft ‚erbt‘ eine junge Hoteliersgeneration bauliche Komplexe, die ab den 1950er/60er/70er Jahren unsystematisch und heterogen in mehreren Etappen gewachsen waren.“ Dreißig solche Objekte hat Norbert Mayr genauer betrachtet und verschiedene gestalterische Strategien erkundet, „die oft sehr hohes Niveau erreichen“.
Da gibt es einen Almgasthof aus dem Jahr 1890 mit erhaltener Thonet-Bestuhlung – und auf der anderen Seite etwa das brandneue Hotel „Travel Charme“ in Werfenweng. An letzterem Beispiel kann man gut nachvollziehen, dass die Perspektive von Architekten, von Dorfbild-Bewahrern und von Ökologen durchaus unterschiedlich ausfallen kann: Das Hotel-Monster in Werfenweng nimmt allein eine Fläche ein, die dem einstigen bäuerlichen Ortskern entspricht. Dass dieser Hotelkomplex baukünstlerischen Vorzüge hat und in seiner Infrastruktur dem Grün-Image, das sich Werfenweng werbetechnisch verpasst hat, bestens zuarbeitet, steht auf einem anderen Blatt.
„Gute Architektur ist in vielerlei Hinsichten nachhaltig“, bestätigt der Architekturhistoriker und -kritiker Norbert Mayr. Manche Beispiele hätten „die kurzen Zyklen, die im Tourismus üblich sind, spielend überlebt“. Sein Befund geht dahin, dass generell das Weiterbauen am Bestand verstärkt mit baukulturellem Anspruch verknüpft werden solle. Auch da hat Mayr die entsprechenden Beispiele parat: Am Beispiel des Hotels Tauernhof in Flachau erklärt er, wie durch zur Straße hin vorgeblendete Baumaßnahmen die von mehreren An- und Zubauten bestimmte Fassade optisch einheitlicher geworden ist. Das Negativbeispiel am selben Ort ist das „Schlosshotel“, dessen Besitzer der Lust auf Kitsch, dem Türmchen-Wahn vollends verfallen scheint.
Von „Wellness-Moderne“ spricht Norbert Mayr angesichts des Bemühens vieler Hoteliers, gerade in Sauna- und Poolbereichen nicht nur großzügig zu investieren, sondern auch Architekten ran zu lassen. Der Krallerhof in Leogang ist da ein Positivbeispiel. Nicht nur am Hotel Miramonte hat Mayr einnehmend gefunden, wie man Altbestand in die Neugestaltung übergeführt hat – ein Weg, der dem Architekturkenner überhaupt nachahmenswert erscheint.
Für die Touristiker stellt sich die Frage: Was will der Gast? Die SLT ist der Sache mit einer Befragung auf den Grund gegangen. „Architektur und Baukultur sind keine primären Entscheidungsfaktoren bei der Wahl des Urlaubsorts, doch sie sind wichtig für die Identitäts- und Markenbildung einer Destination und können als Visitenkarte eines Orts fungieren“, weiß SLT-Geschäftsführer Leo Bauernberger. „Geht es um die konkrete Urlaubsentscheidung, dann spielt die Außenarchitektur eines Hotels eine weniger große Rolle als Preis oder Lage der Unterkunft.“
„Positive Beispiele für Baukultur werden von den Gästen als selbstverständlich genommen. Bausünden, herabgekommene Gebäude oder austauschbare Industrie- und Gewerbegebiete fallen den Gästen hingegen sehr wohl auf und führen durchaus zu Unzufriedenheit”, sagt Bauernberger. „Architektur ist damit ein sehr subtiler Wohlfühlfaktor.”
Heuer im Juli hat man also 200 Urlauberinnen und Urlauber aus dem deutschsprachigen Raum in der Stadt Salzburg, in St. Johann Alpendorf, in Mittersill und in St. Gilgen zu Architektur, Landschafts- und Ortsbild befragt. Dabei zeigte sich, dass 80 Prozent der Gäste die Häuser hierzulande überwiegend als „sehr schön“ empfinden. Neun von zehn Befragten finden die typischen Dorfbauten hierzulande als „ästhetisch“. Etwas mehr als jeder zweite Gast findet Arkadenbauten im Urlaubsort als „anziehend“. Weniger gut schneiden moderne Hangbauten ab: Zwei Drittel der Gäste lehnen diese ab. Für junge Leute ist aber gerade das anziehend. Keine Differenzen in Sachen Hochhäusern. Die werden – no na – von den meisten Leuten abgelehnt.
Auf dem Programm des Symposions heute und morgen (4./5.10.) nicht nur theoretische Betrachtungen und Erfahrungsberichte, es schließt eine Rundfahrt zu besonders geglückten Tourismusprojekten im Land ein.